Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Einziges IG Metall-Ehrenmitglied Maria Burgi ist tot
Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande starb mit 104 Jahren
(köd/heo) - Wenn Maria Burgi den Blick auf ihr Gegenüber richtete, musste sie fast immer nach oben schauen: Sie war klein von Statur, dafür hatte sie ein großes Kämpferherz und das, was sie selbst eine „freche Gosch´“nannte. Beides half ihr im Leben, das über 104 Jahre währte. Vor einigen Tagen starb die Ulmerin Maria Burgi, einziges Ehrenmitglied der IG Metall in Deutschland und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande.
Ihre Erinnerungen reichten bis in die Not des Ersten Weltkrieges zurück: Geboren 1912 in der Ulmer Oststadt, stand sie als kleines Kind am Straßenrand und bettelte russische Kriegsgefangene um Brot an. Mit 14 begann sie eine Lehre als Näherin bei Hut Mayser, trat mit 16 in die Gewerkschaft ein und geriet in den 30er Jahren in den Fokus der Nationalsozialisten, weil sie sich weigerte, für die NS-Frauenschaft zu spenden und die Hakenkreuzfahne aufzuhängen. Sie wurde denunziert, weil sie nicht den von den Nazis erwarteten Eifer bei der Unterstützung des Hitlerregimes zeigte und es wurde ihr klar gemacht, dass es auch für sie einen Platz auf dem Kuhberg gäbe, das Konzentrationslager für politische Gegner des NS-Regimes oberhalb von Ulm.
Sie kämpfte für bessere Arbeitsund Lebensbedingungen und für soziale Gerechtigkeit: Viele Jahre lang war Burgi, die mit ihrem Mann Erich zwei Kinder bekam, Betriebsrätin und Betriebsratsvorsitzende. Politisches Engagement mit ein bisschen Eleganz und viel Humor: Maria Burgi liebte Hüte, von denen sie eine ganze Reihe besaß, und noch ihren 100. Geburtstag feierte sie mit einem großen Fest.
Mit ihr verlöschen Erinnerungen an die mehr als hundert Jahre Leben in Ulm, die sie miterlebte – beim ersten Nabada, das sie bereits mitschwamm, an Menschen und Ereignisse, die diese Zeit mitprägten. Gefragt, was sie sich zu ihrem 104. Geburtstag wünsche, hatte sie „Frieden“geantwortet – und die Pralinen und das Gläschen Sekt, die sie schätzte. Und ihren Humor hatte sie bis zuletzt. „Da kennat mir zwoi ons oiner a’saufa“, sagt sie zu Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch, als er ihr zu ihrem letzten Ehrentag die gewünschte Flasche überreichte.