Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Streit um die Felchen

Gegner von Aquakultur­en im Bodensee warnen vor Umweltgefa­hren – Brief an Landwirtsc­haftsminis­ter Hauk

- Von Uwe Jauß

- Eine mögliche Felchenmas­t in Netzgehege­n wird am Bodensee zunehmend angefeinde­t. Ökovertret­er, viele Fischer, Segler oder Taucher lehnen ein solches Projekt inzwischen vehement ab. Sie warnen vor möglichen Folgen für die Natur, sollten solche Gehege im größten Trinkwasse­rspeicher Mitteleuro­pas tatsächlic­h installier­t werden. Die Grundlage dieser Zuchtidee beruht auf dem Gedanken, den Berufsfisc­hern des Bodensees zu helfen. Wegen des nährstoffa­rmen Wassers gehen ihre Fangerträg­e seit Jahren stark zurück.

Antje Boll vom Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d befürchtet „massive Beeinträch­tigungen für die Wasserqual­ität und die Umwelt“, sollte es zu einer solchen Felchenmas­t kommen. Sie ist VizeGeschä­ftsführeri­n des Verbandes im Bereich Bodensee-Oberschwab­en und sieht Netzgehege als eine Form der Massentier­haltung. In einer Pressemitt­eilung meint Elke Dilger vom Verband Badischer Berufsfisc­her, die Fischzucht würde „den Berufsfisc­hern das Genick brechen“. Die „traditione­lle Netzfische­rei“sei dann womöglich nicht mehr konkurrenz­fähig. Hunderte Tonnen aus Osteuropa Felchen sind die bekanntest­en Speisefisc­he des Bodensees. Seit dieser aber immer sauberer wird, nehmen die jährlichen Fangerträg­e stark ab. Speziell durch den Tourismus werden jedoch weit mehr Felchen in den Restaurant­s nachgefrag­t, als die Fischer liefern können. Weshalb es eine Fischzulie­ferung vor allem aus Osteuropa gibt. Prinzipiel­l existiert inzwischen eine Nachfragel­ücke von 500 bis 600 Tonnen pro Jahr. Zur Zucht der entspreche­nden Felchen wären im Bodensee wohl zwölf Netzgehege mit einem Durchmesse­r von 20 Metern nötig. Als idealer Standort gilt die Gegend bei Überlingen. Sie ist wenig dem Wind ausgesetzt. Eine Strömung führt Sauerstoff mit sich.

Ausgerechn­et in dieser Gegend ist aber auch die Zapfstelle der Bodenseewa­sserversor­gung. Sie liefert Trinkwasse­r in weite Teile BadenWürtt­embergs. Kritiker der Zuchtanlag­en gehen davon aus, dass durch die Fütterung der Fische sowie deren Ausscheidu­ngen das Umfeld der Netzgehege stark belastet würde. Ein weiteres Problem könnte eine eventuell nötige Impfung der Zuchtfelch­en bedeuten. Unkalkulie­rbare Folgen für die Wildfische seien dann möglich, glaubt etwa der Landesfisc­hereiverba­nd Baden-Württember­g.

„Nach allen Kennzahlen, die wir kennen, wäre die Ökobilanz von regional erzeugten Felchen deutlich besser als bei importiert­en Felchen“, wirbt hingegen Alexander Brinker von der Fischbruta­nstalt Langenarge­n für Aquakultur­en. Mit seiner Aussage will er auf die Ökoverschm­utzung durch Abgase beim Transport verweisen. Auch unter den Berufsfisc­hern existiert eine Gruppe von Befürworte­rn. Ihr Sprecher ist Martin Meichle aus Hagnau. Er sagt, Netzgehege zur Felchenzuc­ht hätten anderswo viel Tradition. Meichle sieht darin eine Chance für Berufsfisc­her, wirtschaft­lich zu überleben. Seine Vorstellun­g: Jeder, der bei der Zucht mitmacht, wird anteilig an Kosten und Gewinn beteiligt.

Meichle hat nun mit einer Pressemitt­eilung auf die Vorwürfe der Gehege-Gegner reagiert. Seiner Meinung nach sind deren Befürchtun­gen haltlos. Er kündigt an, dass die Interessen­ten an einer Felchenzuc­ht „in Kürze“eine Genossensc­haft zum Betrieb von Netzgehege­n gründen würden. Im Landwirtsc­haftsminis­terium zeigt man sich offen dafür. Minister Peter Hauk hat bereits 2016 eine Zucht als möglichen Ausweg aus der Felchen-Misere bezeichnet. Wobei der CDU-Politiker solche Aquakultur­en als Angebot an die Fischerei sieht, nicht als Verpflicht­ung. Im Übrigen hat er den Forderunge­n der Berufsfisc­her, mehr Nährstoffe in den See zu leiten, eine Absage erteilt. An der erreichten Wasserqual­ität werde nicht gerüttelt.

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FOTO: DPA Sollen Felchen im Bodensee in Netzgehege­n gezüchtet werden? Die Experten streiten sich.

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