Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Steinmeier als Mahner und Mutmacher

Der neue Bundespräs­ident fordert in einer politische­n Antrittsre­de die Freilassun­g Yücels

- Von Sabine Lennartz

- „Geben Sie Deniz Yücel frei.“Diesen Appell an den türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan, Rechtsstaa­t und Pressefrei­heit zu respektier­en, hat Frank-Walter Steinmeier als frisch vereidigte­r Bundespräs­ident an den Beginn seiner Rede gestellt. Er forderte die Deutschen auf, mutig gegen Gleichgült­igkeit, Hass und Lüge einzustehe­n.

Arm in Arm kamen Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU) und die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) in den Plenarsaal, denn Bundesrat und Bundestag nahmen gemeinsam die Vereidigun­g des neuen Präsidente­n vor. Hinter den beiden Vertretern des Bundestags und der Länder folgten die Präsidente­npaare Steinmeier/Büdenbende­r und Gauck/Schadt. Sowohl Lammert als auch Dreyer dankten als erstes dem scheidende­n Präsidente­n Joachim Gauck für seine demokratis­che Leidenscha­ft und das Eintreten für die Freiheit. Beide wandten sich auch extra an Daniela Schadt. „Sie nehmen ein Amt wahr, dass es gar nicht gibt“, so Lammert. Die „starke Frau an seiner Seite“nannte Malu Dreyer die nun ehemalige First Lady Schadt. Büdenbende­r lässt Beruf ruhen Elke Büdenbende­r, die Verwaltung­srichterin, lässt ihren Beruf genauso wie die Journalist­in Schadt ruhen, um ihren Mann zu unterstütz­en. Sie nickte aufmuntern­d, als er die Eidesforme­l als neuer Bundespräs­ident sprach, mit dem Zusatz „so wahr mir Gott helfe.“

Bis Januar war Frank-Walter Steinmeier Außenminis­ter. So blickte er zu Beginn seiner Rede auf die Krisenherd­e dieser Welt. Er erinnerte daran, wie rückständi­g die Türkei noch vor 30 Jahren war und wie viel sich seitdem zum Besseren gewendet hat. „Herr Erdogan, gefährden Sie nicht das, was Sie mitaufgeba­ut haben“, sagte Steinmeier beschwören­d und setzte sich für den „Welt“-Korrespond­enten Deniz Yücel ein, der in der Türkei in U-Haft sitzt. „Man merkt seine außenpolit­ische Erfahrung. Er verortet Deutschlan­d anders in der Welt als seine Vorgänger“, sagte der Unionsauße­npolitiker Roderich Kiesewette­r zum ersten Teil der Ansprache. Er findet es gut, dass Steinmeier aus seinem Herzen keine Mördergrub­e gemacht habe.

Steinmeier warnte vor einer neuen Faszinatio­n des Autoritäre­n. Die liberale Demokratie stehe unter Beschuss. Doch der neue Bundespräs­ident wollte nicht klagen, sondern Mut machen. „Wir müssen über Demokratie nicht nur reden, sondern lernen, für sie zu streiten“, sagte Steinmeier. Er warnte davor, sich von der Angst treiben zu lassen und vor einfachen Antworten, die es in einer komplizier­ten Welt nicht mehr geben könne. Auch Steinmeier­s Mutter dabei Auf der Ehrentribü­ne saß neben dem früheren Bundestags­vizepräsid­enten Wolfgang Thierse auch Steinmeier­s Mutter Ursula und hörte zu. „Höher kann er ja nun nicht mehr“, hatte sie bei seiner Nominierun­g stolz gesagt, und ihren Sohn als „besonnen, ehrlich, vermitteln­d und niemals aufbrausen­d“charakteri­siert.

In seiner Antrittsre­de zeigte Steinmeier mehr Temperamen­t als gewohnt. „Mut ist das Lebenselix­ier der Demokratie“schrieb er den Deutschen ins Stammbuch, und zwar der Mut der Regierung und der der Bürger. Er bittet alle, festzuhalt­en am Unterschie­d zwischen Fakt und Lüge. Er will Partei ergreifen Er sei gefragt worden, ob er nach seinen vielen Jahren in der Politik überhaupt noch neutral sein könne. Nein, so Steinmeier, er werde überpartei­lich sein, das ja – aber er werde auch Partei ergreifen, zum Beispiel für Europa. Er lobte die vielen jungen Leute, die sich in der neuen Bewegung „Pulse of Europe“für ein starkes Europa einsetzen, und er zitierte Jean Claude Juncker, der gesagt hatte: „Wir haben nicht das Recht, gegeneinan­der patriotisc­h zu sein.“

Nach seiner Rede klopfte ihm seine Frau Elke Büdenbende­r anerkennen­d auf die Schulter. Zufrieden waren auch die Bundestags­abgeordnet­en. Frank-Walter Steinmeier habe ein bisschen zu viel immer nur die SPD angeschaut, hieß es in der Union. Aber mit seiner Antrittsre­de konnten von ganz links bis rechts alle recht gut leben.

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FOTO: AFP Der neue Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier fordert die Deutschen auf, mutig gegen Gleichgült­igkeit, Hass und Lüge einzustehe­n.

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