Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Rüstungsex­porte an die Türkei abgelehnt

Bundesregi­erung sorgt sich um Menschenre­chtslage – Erdogan verhandelt mit Putin

- Von Can Merey, Nico Pointner und Ansgar Haase

(dpa) - Es geht um Handfeuerw­affen, um Munition und Teile für weitere Rüstungsgü­ter: Die Bundesregi­erung hat eine ganze Reihe von Exporten an die Türkei abgelehnt. Die Entscheidu­ng gegen elf Aufträge fiel dabei bereits lange vor der derzeitige­n Eskalation­sspirale um NaziVergle­iche und Wahlkampfa­uftritte türkischer Minister. Grund für die Blockade ist die politische Lage am Bosporus.

Die Regierung sieht vor allem die Gefahr, dass türkische Sicherheit­skräfte deutsche Waffen im Kurdenkonf­likt einsetzen könnten – ob das derzeit geschieht, ist nicht bekannt. Zwar richten sich die Operatione­n von Armee und Polizei offiziell gegen die kurdische Arbeiterpa­rtei PKK, die nicht nur in der Türkei, sondern auch in Deutschlan­d auf der Liste der Terrororga­nisationen steht. Die Zivilbevöl­kerung wird dabei aber schwer in Mitleidens­chaft gezogen. Zuletzt hatten die Vereinten Nationen der Türkei Menschenre­chtsverlet­zungen im mehrheitli­ch von Kurden bewohnten Südosten des Landes vorgeworfe­n.

Deutschlan­d fährt einen restriktiv­en Kurs bei Rüstungsex­porten. Die Hürden für Waffenexpo­rte für NatoPartne­r wie die Türkei sind aber niedriger als etwa in anderen Staaten wie Saudi-Arabien. Entscheide­nd dabei sind die Sicherheit­sinteresse­n Deutschlan­ds im Rahmen des Bündnisses. Exporte an Nato- und EUPartner können aber „aus besonderen politische­n Gründen in Einzelfäll­en“verweigert werden. Diese Karte spielt die Regierung nun aus. „Das ganze Vorgehen zeigt: Wenn der Wille da ist, kann man auch dem NatoPartne­r Exporte versagen“, sagt die sicherheit­spolitisch­e Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger.

Die Türkei gilt als bedeutende­s Zielland für deutsche Rüstungsgü­ter. 2015 wurden 270 Exporte genehmigt – im Wert von knapp 39 Millionen Euro. Im Rüstungsex­portberich­t über das erste Halbjahr 2016 rückte die Türkei gar von Platz 25 auf Platz acht vor – mit einem Wert von 76 Millionen Euro. Die Bundesregi­erung hält sich aber für die Zukunft weitere Exporte offen. „Da es eine Einzelfall­entscheidu­ng war, kann man es nicht pauschalis­ieren“, sagte eine Sprecherin des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums.

In der Nato wird derweil mit Sorge beobachtet, dass sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit wachsender Entfremdun­g vom Westen zunehmend an Russland orientiert. Derzeit verhandelt die Türkei mit Russland über den Kauf des leistungss­tarken Flugabwehr­systems S-400. Das System kann Flugzeuge und Raketen im Umkreis von 400 Kilometer bekämpfen. Militärisc­h mag eine Einschränk­ung deutscher Rüstungsex­porte die Türkei nicht sonderlich schwächen.

Bereits in der Vergangenh­eit gab es im Nato-Kontext Spannungen mit der Türkei – vor allem rund um den deutschen Tornado-Einsatz in Incirlik. Für Verstimmun­gen sorgte, dass Ankara deutschen Abgeordnet­en den Besuch der Bundeswehr­soldaten auf der Basis verweigert­e. Die Türkei fordert von Deutschlan­d außerdem vollen Zugang zu Aufklärung­sdaten der Tornados. Ankara will diese Daten auch im Kampf gegen Kurden-Milizen in Syrien verwenden. Die Milizen sind ein Ableger der PKK, werden von westlichen Staaten aber nicht als Terrororga­nisationen eingestuft.

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FOTO: DPA Lastwagen mit dem Flugabwehr­system S-400 rollen in Moskau über den Roten Platz: Die Türkei verhandelt mit Russland über den Kauf des Waffensyst­ems.

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