Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Rüstungsexporte an die Türkei abgelehnt
Bundesregierung sorgt sich um Menschenrechtslage – Erdogan verhandelt mit Putin
(dpa) - Es geht um Handfeuerwaffen, um Munition und Teile für weitere Rüstungsgüter: Die Bundesregierung hat eine ganze Reihe von Exporten an die Türkei abgelehnt. Die Entscheidung gegen elf Aufträge fiel dabei bereits lange vor der derzeitigen Eskalationsspirale um NaziVergleiche und Wahlkampfauftritte türkischer Minister. Grund für die Blockade ist die politische Lage am Bosporus.
Die Regierung sieht vor allem die Gefahr, dass türkische Sicherheitskräfte deutsche Waffen im Kurdenkonflikt einsetzen könnten – ob das derzeit geschieht, ist nicht bekannt. Zwar richten sich die Operationen von Armee und Polizei offiziell gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK, die nicht nur in der Türkei, sondern auch in Deutschland auf der Liste der Terrororganisationen steht. Die Zivilbevölkerung wird dabei aber schwer in Mitleidenschaft gezogen. Zuletzt hatten die Vereinten Nationen der Türkei Menschenrechtsverletzungen im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten des Landes vorgeworfen.
Deutschland fährt einen restriktiven Kurs bei Rüstungsexporten. Die Hürden für Waffenexporte für NatoPartner wie die Türkei sind aber niedriger als etwa in anderen Staaten wie Saudi-Arabien. Entscheidend dabei sind die Sicherheitsinteressen Deutschlands im Rahmen des Bündnisses. Exporte an Nato- und EUPartner können aber „aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen“verweigert werden. Diese Karte spielt die Regierung nun aus. „Das ganze Vorgehen zeigt: Wenn der Wille da ist, kann man auch dem NatoPartner Exporte versagen“, sagt die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger.
Die Türkei gilt als bedeutendes Zielland für deutsche Rüstungsgüter. 2015 wurden 270 Exporte genehmigt – im Wert von knapp 39 Millionen Euro. Im Rüstungsexportbericht über das erste Halbjahr 2016 rückte die Türkei gar von Platz 25 auf Platz acht vor – mit einem Wert von 76 Millionen Euro. Die Bundesregierung hält sich aber für die Zukunft weitere Exporte offen. „Da es eine Einzelfallentscheidung war, kann man es nicht pauschalisieren“, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.
In der Nato wird derweil mit Sorge beobachtet, dass sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit wachsender Entfremdung vom Westen zunehmend an Russland orientiert. Derzeit verhandelt die Türkei mit Russland über den Kauf des leistungsstarken Flugabwehrsystems S-400. Das System kann Flugzeuge und Raketen im Umkreis von 400 Kilometer bekämpfen. Militärisch mag eine Einschränkung deutscher Rüstungsexporte die Türkei nicht sonderlich schwächen.
Bereits in der Vergangenheit gab es im Nato-Kontext Spannungen mit der Türkei – vor allem rund um den deutschen Tornado-Einsatz in Incirlik. Für Verstimmungen sorgte, dass Ankara deutschen Abgeordneten den Besuch der Bundeswehrsoldaten auf der Basis verweigerte. Die Türkei fordert von Deutschland außerdem vollen Zugang zu Aufklärungsdaten der Tornados. Ankara will diese Daten auch im Kampf gegen Kurden-Milizen in Syrien verwenden. Die Milizen sind ein Ableger der PKK, werden von westlichen Staaten aber nicht als Terrororganisationen eingestuft.