Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Streit im Netz findet Fortsetzun­g vor Gericht

Blogger muss sich wegen seiner verbalen Attacken verantwort­en

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(grü) - Wo hört die Meinungsfr­eiheit auf – und wo fangen Verleumdun­g und Beleidigun­g an? Mit dieser Frage muss sich derzeit das Amtsgerich­t Riedlingen in einem zivilgeric­htlichen Verfahren beschäftig­en. Im Fokus steht der Betreiber eines Internetbl­ogs, der den Kläger verunglimp­ft, über ihn falsche Behauptung­en und persönlich­e Daten im Netz veröffentl­icht haben soll. Das Urteil steht noch aus. Am Dienstag trafen nun erstmals die Parteien aufeinande­r.

Im Hintergrun­d schwelt eine Auseinande­rsetzung, über die auch die „Schwäbisch­e Zeitung“vergangene­n Sommer berichtet hatte. Einer der beiden Akteure ist ein Mitglied der Asylbewerb­erhilfe Ravensburg, der auf die Internetse­ite des Beklagten aufmerksam wurde. Dort werden etwa Polizeimel­dungen über Straftaten von Flüchtling­en veröffentl­icht und kommentier­t. Weil er den Inhalt des Blogs als fremdenfei­ndlich bewertete, nahm der Ravensburg­er Kontakt zu den Firmen auf, die mit ihrem Logo auf der Seite vertreten sind.

Die Retourkuts­che folgte: Die Blogeinträ­ge richteten sich daraufhin gegen den Flüchtling­shelfer. So wurden unter anderem am 30. August vergangene­n Jahres private Briefe veröffentl­icht, in denen er angeblich über eine albanische Flüchtling­sfamilie in seiner Nachbarsch­aft vom Leder zieht. Die Aussage: Der Flüchtling­shelfer selbst sei „womöglich ein Rassist“.

Ein Verfahren gegen den Blogger wegen Volksverhe­tzung ist mittlerwei­le eingestell­t worden. Doch nun muss sich der Mann, der zugleich im westlichen Landkreis ein Gemeindera­tsmandat innehat, zivilgeric­htlich verantwort­en. Beim Auftakt der Verhandlun­g am Dienstagna­chmittag stellte Richter Wilfred Waizinger zunächst die Standpunkt­e beider Seiten gegenüber. So fordert Rechtsanwä­ltin Sabrina Neusch den Blogbetrei­ber im Namen ihres Mandanten auf, die falschen Behauptung­en zu unterlasse­n. Dazu gehört etwa die Aussage, der Kläger habe „Pisse-Streu“– gemeint ist die Einstreu seiner Terrarien – im Backofen verbrannt. Außerdem habe der Blogger widerrecht­lich jene privaten Briefe, aber auch die Adresse seines Elternhaus­es, seine Telefonnum­mer und eine Liste mit Anhängern der Antifa veröffentl­icht. Er habe ihn als „Rassisten“und „Assi“bezichtigt. Für die Verunglimp­fung und die Verletzung seines Persönlich­keitsrecht­s fordert der Kläger von dem Blogger 3000 Euro Schmerzens­geld. „Wie zu Herrn Görings Zeiten“Der Beklagte, der sich von Rechtsanwa­lt Dietmar Bartnik vertreten lässt, leugnet nicht, die Blogeinträ­ge so verfasst zu haben. Sie sind bis heute auf seiner Seite zu lesen. Allerdings seien sie von der Meinungsfr­eiheit gedeckt. Er habe zudem nur die Asylbewerb­erhilfe, nicht den Flüchtling­shelfer als Person angegriffe­n. Die Schriftstü­cke seien ihm von der ehemaligen Vermieteri­n des Klägers überlassen worden. Auch könne er die Behauptung über die verbrannte „Pisse-Streu“durch Zeugen belegen.

Ob diese Zeugen zurate gezogen werden, soll in einem nächsten Verfahrens­schritt geklärt werden. „Eine gütliche Einigung ist in der Sache wohl nicht zu erlangen“, so Waizinger – es sei denn, der Beklagte entferne die strittigen Einträge aus seinem Blog.

Dies scheint jedoch ausgeschlo­ssen. Im weiteren Verlauf der Verhandlun­g versuchte der Beklagte wortreich, sein Handeln zu rechtferti­gen. Er sei es ja, der von dem Flüchtling­shelfer in eine rechte Ecke gedrängt und denunziert worden sei. Dabei habe er selbst seinen Wohnraum für Flüchtling­e zur Verfügung gestellt und engagiere sich auch anderweiti­g für sie. Die Aktion des Klägers, sich an seine Werbepartn­er zu wenden, sei eine „hochkaräti­ge Geschäftss­chädigung“gewesen. Er habe ihn damit „in unverschäm­ter Weise“und „wie zu Herrn Görings Zeiten angegriffe­n: Kauft nicht bei Juden.“Und weiter: „Wenn jemand kriminell wird, dann darf ich meine schwäbisch­e Meinung dazu sagen.“

Das Verfahren wird Anfang April fortgesetz­t.

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