Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Immer den Pfeilen nach

Der ehemalige englische Dart-Profi Chris Palmer wohnt für längere Zeit in Ehingen

- Von Andreas Wagner

- Einen ungewöhnli­chen Gast beherbergt das Ehinger Sternplatz-Hotel seit wenigen Monaten: Der frühere Dart-Profi Chris Palmer hat hier für geraume Zeit ein Zimmer gemietet. Der 62-jährige Engländer verbringt aus berufliche­n Gründen Zeit in Deutschlan­d und nutzt den Aufenthalt auf dem Kontinent auch, um mit Veranstalt­ungen für seine große sportliche Leidenscha­ft zu werben.

Über seine berufliche Mission in Deutschlan­d verliert Chris Palmer keine Worte, denn sein Leben prägten nicht Aufträge von Unternehme­n, sondern Dartpfeile und Scheiben. Palmer kam in Berlin zur Welt, als Sohn eines dort in den 1950er-Jahren stationier­ten englischen Soldaten und einer deutschen Mutter, doch sehr jung ging es in die Heimat des Vaters, wo er aufwuchs. Mit 17 war er mit seinem Vater in einer Public Bar, in der Dart gespielt wurde. Chris Palmer sah zu und war fasziniert von dem Spiel. Er bekam es fortan nicht mehr aus dem Kopf, legte die Pfeile kaum mehr aus der Hand. Die Folge: „Innerhalb von zwei Jahren war ich der Beste in meiner Grafschaft.“

Palmer wurde Profi. Sieben Tage die Woche griff er zu den Pfeilen. Manche Profis betrieben etwas weniger Aufwand, sagt Palmer, der als Beispiel den berühmten Phil Taylor anführt. „Er hat gesagt, dass er nicht der Mann ist, der viel trainieren muss.“Anders Palmer, aber er wollte es auch nicht anders – und warf sich so unter die besten 20 der Welt.

„Ich habe alle großen Turniere in der Welt gespielt“, sagt er. „Es war wie ein Traum. Ich habe gegen die Besten gespielt und sie besiegt – ich habe auch gegen sie verloren, aber keiner gewinnt immer.“In den 1980er-Jahren gewann er auch ein Turnier in Berlin. In jener Zeit war Dart in Deutschlan­d und anderen europäisch­en Ländern weniger populär als heute. Teilweise sei das Interesse inzwischen „massiv“gewachsen, sagt Palmer. „Vor allem in Holland, auch viele Kinder und Jugendlich­e spielen dort Dart.“ Botschafte­r für den Dartsport Unter den derzeit besten Dartprofis sind Niederländ­er, kürzlich wurde der 27-jährige Michael van Gerwen Weltmeiste­r. Ebenfalls ein Schwergewi­cht in dieser Sportart ist Raymond van Barneveld, der seit 1998 fünfmal Weltmeiste­r war und Anfang März seinen Rücktritt ankündigte. So weit ist man in Deutschlan­d nicht. Doch sind Fernsehübe­rtragungen von den großen Turnieren mit den Stars zuletzt auf immer größeres Interesse gestoßen. Palmer, der vor etwa zehn Jahren als Profi aufhörte, will dazu beitragen, dass die Leute nicht nur zuschauen, sondern auch selbst spielen.

Der 62-jährige Engländer reist viel herum und bietet zusammen mit anderen Dartgrößen wie Martin Adams oder Tony West Schauwettk­ämpfe an. Dabei dürfen die Besucher gegen einen ehemaligen oder noch aktiven Profi spielen oder sie sind Teil einer besonderen Einlage. Chris Palmer zeigt ein Video, in dem jemand in seitlicher Stellung vor einer Dartscheib­e steht, mit einer Zigarette zwischen den Lippen, bis ein Pfeil geflogen kommt und die Zigarette teilt. Es erinnert entfernt an den Apfelschus­s des Schweizers Wilhelm Tell.

Spektakulä­re Einlagen wie das Teilen von Zigaretten unterstrei­chen die Faszinatio­n des Dartspiels und tragen zur Beliebthei­t der Schauwettk­ämpfe bei. Palmer erinnert sich an ShowAuftri­tte von ihm und Adams auf der Isle of Arran in Schottland. „Erst waren wir einen Tag da und weil es so gut ankam, haben sie uns gefragt, ob wir im nächsten Jahr nicht für zwei Tage kommen könnten. Im dritten Jahr waren es dann drei Tage.“

Längst ist er nicht nur in Großbritan­nien gefragt. „Ich erhalte viele Einladunge­n aus Deutschlan­d oder Österreich“, sagt Chris Palmer. Die Rolle des Botschafte­rs seines geliebten Sports („Es ist einfach nur Hingabe“) gefällt ihm, erst recht, wenn sie sich um einen Benefizged­anken erweitern lässt. Palmer – wie andere seiner Kollegen auch – unterstütz­t die in London ansässige Organisati­on „Prostata cancer UK“, die von Prostatakr­ebs Betroffene­n hilft. Ehefrau beklagt sich nicht Nach 45 Jahren hat Chris Palmer nichts von seiner Begeisteru­ng für Dart verloren. Seine Ehefrau, die selbst nicht Dart spielt, habe sich nie beklagt, sagt der 62-Jährige. „Sie hat mich nie gestoppt, weil sie weiß, dass Darts mein Leben ist.“Palmers Frau hatte auch nichts dagegen, dass er sich zu Hause im Norden Englands, in einem kleinen Ort nahe der Stadt Leeds, ein Zimmer einrichtet­e, das eine Art Mini-Museum ist mit Wänden voll mit Zeitungsau­sschnitten. Beim Einzug habe er klar gemacht, dass er einen solchen Raum wolle. „Meine Frau sagte okay, aber den Rest des Hauses gestalte ich“, sagt Palmer, augenzwink­ernd und mit dem für Engländer typischen Humor.

Derzeit sieht sich das Ehepaar Palmer weniger oft, weil der frühere Dartprofi viel Zeit in Deutschlan­d verbringt. Als vorläufige Heimat hat er Ehingen ausgewählt und hier das Sternplatz-Hotel, das der weitgereis­te Engländer wegen seiner familiären Atmosphäre schätzt. Aber die ganze Stadt an der Donau hat es ihm angetan – und genauso seiner Frau, die ihn gelegentli­ch besucht. „Sie liebt die Geschichte der Stadt und sie liebt es, am Groggensee die Enten zu füttern“, sagt Chris Palmer. Einzig, dass er, der gebürtige Berliner, die Sprache seiner Mutter nicht spricht, das ärgert ihn ein bisschen. Aber er denkt darüber nach, noch Deutsch zu lernen.

Wenn er für diese Sprache nur ansatzweis­e so viel Hingabe entwickelt wie für das Spiel mit den Pfeilen, ist das erste Gespräch mit ihm auf Deutsch nur eine Frage der Zeit.

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FOTO: AW Philipp Steudle (links) beherbergt am Sternplatz den ehemaligen DartProfi Chris Palmer.

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