Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Zirkuslebe­n heißt: frei sein

Seit 1861 ist jeder in der Familie Frank beim Zirkus geblieben – Bis Sonntag in Laupheim

- Von Dominik Prandl

- Schon als kleines Kind wusste Charly Frank: Ich will Clown werden. Mit acht Jahren hatte er seinen ersten Auftritt. Als Mitglied einer großen Zirkusfami­lie zieht er seither durch Deutschlan­d und Europa. Ein anderes Leben als das eines reisenden Zirkusdars­tellers kann er sich gar nicht vorstellen. Zurzeit ist der 40-Jährige mit dem „Circus Bajazzo“in Laupheim.

23 Wagen stehen auf einer Wiese im Westen der Stadt. In acht von ihnen wohnen die 26 Artisten – allesamt Familienmi­tglieder, vom Kleinkind bis zum Großpapa. Seit 1861 ist der Zirkus quer durch Europa unterwegs. Von Beginn an, seit neun Generation­en, sei jeder in der Familie beim Zirkus geblieben, sagt Charly Frank. Auch er habe sich nie gefragt, ob er etwas anderes machen wolle. „Man ist frei, ist jede Woche woanders, lernt viele neue Leute und Städte kennen“, schwärmt der 40-Jährige.

Währenddes­sen schiebt sein vierjährig­er Sohn Liviano eine große Schubkarre über die nasse Wiese und beginnt, den Pferdewage­n auszumiste­n. Ja, auch die Kinder seien über diese Art des Lebens glücklich. „Sie spielen auf der Wiese und sind mit den Tieren beschäftig­t“, sagt Frank. Am Fernsehen hätten sie überhaupt kein Interesse.

Wenn möglich, gehen die Kinder der Familie dort zur Schule, wo der Zirkus gerade Halt macht. Sie würden direkt bei den Schulen nachfragen, ob das ginge, sagt Frank. Die Antwort falle je nach Region unterschie­dlich aus. Es gebe aber auch noch Zirkuslehr­er, die zu den Kindern fahren, um mit ihnen zu lernen und sie zu prüfen. Zurzeit hätten sie Aufgaben, die sie machen müssten.

Das Wanderlebe­n habe auch seine Nachteile: Manchmal sei die Familie 500 Kilometer von dem Rathaus weg, wo es etwas zu erledigen gebe. „Dann muss man schon mal hinfahren und in den sauren Apfel beißen.“Ungemütlic­h sei es zudem im Winter bei Minusgrade­n, wenn man zwischen den Wagen hin- und hergehen müsse – etwa vom Campingwag­en ins Bad. Und Urlaub habe er überhaupt nicht, erklärt Frank. Das ganze Jahr sei die Familie unterwegs, und im Winter müssten die Ausrüstung in Schuss gebracht und neue Nummern eingeübt werden. Trotzdem: „Jeden Tag das Gleiche: aufstehen, zur Arbeit gehen, heimkommen“– das könne er sich überhaupt nicht vorstellen.

Jedes Jahr übt Clown Charly etwas Neues ein. „Ich schaue mir dazu Videos von anderen Clowns an und mache sie nach.“Ob er etwas ändern muss, sieht er allerdings erst im Rampenlich­t vor dem Publikum, wenn die Reaktionen anders sind als erwartet. In seinem Wagen und der Manege probt er nämlich allein. Statt einer Clownsnase trägt er Frack. „Mann muss ja mit der Zeit gehen“, sagt er. Und rote Nasen seien heute „nicht mehr in“. Sein Sohn jedenfalls ist von ihm begeistert – immer wieder mache ihn der kleine Liviano nach, erzählt Frank. „Ich glaube, er wird mein Nachfolger.“

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FOTO: DOMINIK PRANDL Zirkus im Blut: Clown Charly Frank (Mitte) mit seinen Neffen (von links) Francesco, Nandino und Jeffrey.

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