Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ausbildung schützt vor Abschiebung nicht
Behörden im Süden legen Integrationsgesetz zunehmend enger aus – Firmen sind empört
- Es hätten Erfolgsgeschichten werden können: Junge Asylbewerber finden Ausbildungsplätze bei örtlichen Firmen. Sie sind lernwillig, integrationsfähig, und sprechen zum Teil gut deutsch. Ihre Arbeitgeber sind zufrieden mit ihnen – und froh, zuverlässige Azubis gefunden zu haben. Denn die Nachwuchslage in den mittelständischen Handwerksbetrieben ist nicht rosig. „Ausbildung ist die beste Integrationsmaßnahme“, hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch im Dezember verkündet.
Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Dem 25-jährigen Afghanen Fawad Akbari aus Baienfurt (Landkreis Ravensburg) wurde nach der Anhörung jüngst ein Ablehnungsbescheid vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zugestellt. Er soll in sein Heimatland zurückkehren, das von der Bundesregierung in Teilen als sicher eingestuft wird. Zwischen Schwäbisch Gmünd und dem Bodensee gibt es inzwischen etwa eine Handvoll ähnlicher Fälle, bestätigt Philipp Hilsenbek, Pressesprecher der Handwerkskammer Ulm.
Fawad Akbari macht in einer Autolackiererei in Weingarten eine Lehre zum Fahrzeuglackierer. „Wir wollen ihn um jeden Preis behalten“, sagt Ahmet Yardimci, der zehn Angestellte hat, über seinen Auszubildenden. Seine Firma brauche dringend Nachwuchs. Nach der Ausbildung sei Fawad Akbari eine Festanstellung sicher. Anerkennungsquote sinkt Ein anderer Fall ist Basir Rezai: Der 26-Jährige aus Afghanistan arbeitet seit Juli vergangenen Jahres ganztags als Praktikant in einem Biberacher Betrieb mit und soll im September eine Ausbildung zum Metallbauer beginnen. „Er ist bei uns vollkommen angekommen“, sagt Reiner Braunger, Betriebsleiter bei Stahlbau Manz in Warthausen-Herrlishöfen, über Basir Rezai. „Er nimmt Sprachunterricht, kommt gerne zu jedem Firmenfest mit der Familie und hat den Führerschein. Seine zwei Kinder gehen in die Schule und in den Kindergarten, sind im Sportverein“, ergänzt Braunger, der auch im Berufsbildungsausschuss der Handwerkskammer Ulm ist. Doch ob Basir Rezai im Herbst seine Lehre tatsächlich beginnen kann, ist unsicher.
Denn die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus Afghanistan sinkt immer weiter. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres lag sie bei 47,9 Prozent, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken hervorgeht. Im vergangenen Jahr hätten 60,5 Prozent der afghanischen Asylsuchenden in Deutschland Schutz erhalten, 2015 waren es noch 77,6 Prozent.
„Solche Abschiebungen sind ein Fehler“, sagt Joachim Krimmer, Präsident der Handwerkskammer Ulm. Die betroffenen Betriebe seien verärgert und verunsichert, da sie bereits viel Engagement, Geld und Arbeit in die Flüchtlingsausbildung investiert hätten. Es könne doch nicht sein, dass sich nicht registrierte, ungemeldete Flüchtlinge einer Abschiebung entziehen könnten, während „ordentliche, wertvolle Leute gehen müssen“, ärgert sich der 60-jährige Leutkircher. „Dabei suchen wir händeringend Menschen. Da muss eine Klärung her.“Mit dem baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) habe er bereits über dieses Problem gesprochen, sagt Krimmer.
In Bayern wächst ebenfalls der Unmut über das Vorgehen der Ämter. Wie die „Süddeutsche Zeitung“berichtete, fordern Wirtschaftsverbände und die Bundesagentur für Arbeit, diese Praxis zu beenden. „Wir hören immer wieder von unseren Handwerksbetrieben, dass Flüchtlinge trotz gültigem Ausbildungsvertrag oder während eines Praktikums abgeschoben werden“, sagte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Deutschen Handwerks, der „Süddeutschen Zeitung“. Bleiberecht bei Ausbildung Dabei ist die Abschiebung von Flüchtlingen in Ausbildung nicht rechtens. Nach dem Integrationsgesetz, das im August 2016 in Kraft trat, sollen Asylbewerber die Sicherheit haben, während der Lehrzeit in Deutschland bleiben zu dürfen, wenn über ihr Bleiberecht noch nicht entschieden worden ist. Die sogenannte „3+2“-Regelung besagt zudem, dass solche Flüchtlinge für weitere zwei Jahre ein Aufenthaltsrecht haben, wenn sie nach der dreijährigen Ausbildung weiterbeschäftigt werden. Doch trotz dieser klaren Vorgabe legen die Behörden in Baden-Württemberg und Bayern diese Regelung zunehmend enger aus. Für Personen in der sogenannten Einstiegsqualifikation, wie zum Beispiel Praktikum oder Vorvertrag, gilt sie gar nicht.
Basir Rezai aus Biberach hat sich nun an eine auf Asylfragen spezialisierte Anwältin aus Karlsruhe gewandt; auch sein Arbeitgeber unterstützt ihn. Für Fawad Akbari setzen sich inzwischen viele lokale Politiker, sein Chef sowie Bürger aus Weingarten ein. Eine Petition brachte die erforderlichen 2500 Unterstützer aus dem Landkreis Ravensburg zusammen; sie wird jetzt dem Kreistag vorgelegt. Ausgang offen.