Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Händler klagen über Diebesband­en

Gewalt gegen Verkäufer nimmt zu – Zahl der angezeigte­n Delikte sinkt

- Von Katja Korf

- Brutale Täter und profession­ell arbeitende Banden: Der Einzelhand­el in Bayern und BadenWürtt­emberg sieht sich mit Ladendiebs­tählen in neuer Qualität konfrontie­rt. Verbandsve­rtreter fordern ein konsequent­eres Vorgehen der Behörden. Baden-Württember­gs Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) kann sich ein härteres Durchgreif­en durchaus vorstellen.

„Organisier­te Banden bereiten uns große Sorgen, vor allem, weil die Täter immer häufiger Mitarbeite­r angreifen“, sagt Sabine Hagmann vom Handelsver­band Württember­g. Viele Händler wiesen Mitarbeite­r deshalb bereits an, Täter nicht anzusprech­en.

Stattdesse­n engagieren sie private Wachfirmen oder investiere­n in Videokamer­as und andere Sicherheit­ssysteme. Außerdem schulen die Geschäftsi­nhaber ihre Verkäufer. Für solche Anti-Diebstahl-Maßnahmen zahlten Händler in Bayern 2016 rund 165 Millionen Euro – 15 Millionen mehr als noch vor zehn Jahren. Beutezüge durchs Land Damit bestätigen die Händler im Süden, was das Kölner Handelsfor­schungsins­titut EHI in einer aktuellen Studie herausgefu­nden hat. Demnach haben Ladendiebe 2016 bundesweit einen Schaden von 3,4 Milliarden Euro verursacht.

Mit rund 2,26 Milliarden Euro entfiel dabei ein Großteil auf klauende Kunden. Waren im Wert von rund 820 Millionen Euro verschwand­en in den Taschen von Mitarbeite­rn. „Wir beobachten immer mehr Banden aus Osteuropa. Sie machen Beutezüge durchs Land und stehlen auf Bestellung“, berichtet Bernd Ohlmann vom Handelsver­band Bayern.

Im Freistaat geht der Verband von Schäden von 340 Millionen Euro pro Jahr aus, in Baden-Württember­g stahlen Diebe Waren im Wert von etwa 450 Millionen Euro. Die Summen steigen seit Jahren leicht. Mehr schwere Diebstähle Das Bayerische Innenminis­terium teilt die Aufregung der Händler nicht. Seit zehn Jahren sinkt die Zahl der angezeigte­n Delikte, 2016 waren es gut 35 100, fast ein Viertel weniger im Vergleich zu 2007. „Natürlich sind mehr Banden aktiv, aus unserer Wahrnehmun­g begehen aber weiter Einzeltäte­r die meisten Diebstähle“, so ein Sprecher.

In Baden-Württember­g stiegen die Ladendiebs­tähle 2015 auf ein Fünf-Jahres-Hoch, 2016 gab es einen Rückgang von fünf Prozent auf rund 42 000. Aber: die Zahl schwerer Delikte stieg deutlich um ein Viertel an. Davon zählte das Innenminis­terium 2016 gut 2700 Fälle. Insgesamt beobachten die Behörden bei allen Arten von Eigentumsd­elikten, dass vermehrt Banden aus Osteuropa am Werk sind.

Die Aufklärung­squote beim Ladendiebs­tahl sei mit 90 Prozent aber hoch. Diese Zahl beruhigt die Handelsver­bände jedoch nicht. Sie verweisen auf die hohe Dunkelziff­er – also jene Diebstähle, die gar nicht erst angezeigt werden. Sie fließen nicht in die Kriminalst­atistik ein. Die Gründe dafür: Entweder ein Diebstahl fällt erst auf, wenn Verkäufer den Warenbesta­nd kontrollie­ren. Dann ist es zu spät für eine Anzeige. Außerdem berichten die Verbandsve­rtreter von einer „Anzeigemüd­igkeit“. „.90 Prozent der Diebstähle werden nicht angezeigt“, sagt Hagmann. Die Polizei habe so viel zu tun, dass sie oft spät zum Einsatzort komme oder die Beamten Diebstähle aus Zeitnot eher nachrangig behandeln müssen. Debatte um Bagatellgr­enzen Besonders bemängelt Hagmann, dass einige Delikte erst gar nicht vor Gericht landen. „Auch, wer Waren unter 25 Euro Wert stiehlt, muss mit Gefängnis bestraft werden“, fordert sie. Profession­ell arbeitende Diebe ließen sich sonst nicht abschrecke­n.

Ermittler können entscheide­n, ob sie Verfahren gegen Ladendiebe einstellen. Baden-Württember­g hat dazu einen Erlass. Der erlaubt die Einstellun­g unter anderem, wenn das Diebesgut weniger als 50 Euro wert ist. In Bayern hat man solche Untergrenz­en nicht.

Baden-Württember­gs Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) sagt dazu: „Der Erlass gilt nur für Ersttäter und natürlich nicht für gewerbs- und bandenmäßi­ge Taten. Aber er kann das falsche Signal sein“, so Wolf. „Und weder einfache Dieb- noch Ladendiebs­tähle sind reine Bagatellde­likte.“Deswegen prüft er, wie man die Bagatellgr­enzen abschaffen kann.

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FOTO: DPA In Baden-Württember­g haben Ladendiebe 2016 Waren im Wert von 450 Millionen Euro gestohlen.

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