Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Familienfe­hde überschatt­et auch die Totenmesse für Helmut Kohl

Politiker gedenken in der Berliner Hedwigs-Kathedrale des verstorben­en Altkanzler­s

- Von Rasmus Buchsteine­r

- Kyrie, Weihrauch und stilles Gedenken für Helmut Kohl: Früh am Morgen um 7.30 Uhr würdigen die Abgeordnet­en der Unionsfrak­tion in der Berliner Hedwigs-Kathedrale den am 16. Juni verstorben­en Altkanzler mit einer Totenmesse. Ein Schwarz-Weiß-Bild von Kohl steht im Altarraum.

Die Spitzen von Staat und Politik sind gekommen: Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanz­lerin Angela Merkel, fast das gesamte Kabinett und auch Spitzenver­treter der Opposition, die dem „Schwarzen Riesen“die letzte Ehre erweisen wollen. Es ist der einzige feierliche Moment der Erinnerung in der Hauptstadt, aber kein Ersatz für den nationalen Staatsakt, gegen den sich Kohl ausgesproc­hen haben soll. Die eigentlich­e Zeremonie findet am Samstag statt: Erst der Trauerakt im Europäisch­en Parlament, dann die Überführun­g des Sargs mit Hubschraub­er und Rheinschif­f („MS Mainz“) nach Speyer mit Requiem im Dom und anschließe­nd Beerdigung. Friedensno­belpreistr­äger Michail Gorbatscho­w, so verlautete gestern, kommt aus Gesundheit­sgründen nicht zum Trauerakt.

Wann immer er in Berlin war, sei Kohl in die Hedwigs-Kathedrale zur heiligen Messe gekommen und habe sich als gläubiger Katholik „nach Gott ausgericht­et“, erinnert Prälat Karl Jüsten, der Leiter des katholisch­en Büros. Die Totenmesse wird überschatt­et vom Familienst­reit im Hause Kohls, vom Zerwürfnis der Witwe Kohl-Richter mit den Söhnen des Altkanzler­s. „Wir Außenstehe­nden sollten uns bei der Bewertung dieser unterschie­dlichen Sichtweise­n zurückhalt­en“, mahnt Jüsten. Kauder: „Viele gute Jahre“„Viele gute Jahre“habe Deutschlan­d dem Altkanzler zu verdanken. „Wir sind dankbar, dass wir Helmut Kohl in unseren Reihen hatten“, sagt Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) in seiner Ansprache. „Ein großer Europäer“und „ein deutscher Patriot“sei Kohl gewesen. Er habe für ein Europa der offenen Grenzen gestanden, das „nie wieder Krieg“wolle. Kauder erinnert an seine ersten Begegnunge­n mit dem damaligen Kanzler. Damals sei er Generalsek­retär der CDU in Baden-Württember­g gewesen und die Junge Union im Ländle habe den Rücktritt des Oggersheim­ers verlangt. „Du hast eine Verantwort­ung als Generalsek­retär“, habe ihn Kohl im Plenum des Bundestage­s zur Rede gestellt. Der Rekord-Kanzler der Bundesrepu­blik sei außergewöh­nlich gewesen. „Niemand ist vollkommen. Auch Kohl war Mensch“, erinnert Kauder an die dunklen Seiten des Verstorben­en. „Wo Licht ist, gibt es auch Schatten.“

Kohl habe polarisier­t, aber auch die Gabe zur Freundscha­ft besessen, sagt Jüsten und erinnert an Kohls einstigen Berufswuns­ch, Bauer oder Förster zu werden. Mit den Landwirten habe den Politiker Kohl auch das Gespür für den richtigen Augenblick verbunden: „Man braucht ein Gefühl dafür, wann die Zeit reift ist für die Ernte.“

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FOTO: DPA Mitglieder der Bundesregi­erung und Abgeordnet­e des Deutschen Bundestage­s nehmen in Berlin an der Totenmesse für Helmut Kohl teil.

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