Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Es lebe die Familie!
Die Coppolas sind eine Kinodynastie: Mutter Eleanor gibt mit 81 Jahren ihr Regiedebüt
Eleanor, Sofia und Gia Coppola drei Regisseurinnen in einer Familie, Mutter, Tochter und Enkelin. So unterschiedlich ihre Filme sein mögen, sie eint ihr großes Talent. Der Witz ist nur: Die Älteste ist die Debütantin im Regiefach. Eleanor Coppola ist 81 Jahre alt. Ein solches Debüt dürfte für sie alles andere als leicht sein: Sie ist die Frau des weltberühmten Francis Ford Coppola. Da wird das Werk natürlich anders und strenger angeguckt als bei einer gewöhnlichen Spätberufenen.
Andererseits hat Eleanor ja niemand gezwungen, die Komödie „Paris kann warten“zu drehen, in dem sie auch noch eine sehr persönliche Episode erzählt. Aber es ist in dieser Familie, zu der auch Talia Shire („Rocky“) und die Neffen Nicolas Cage, Jason und John Schwartzman gehören, offenbar so, dass jedes Mitglied irgendwann einmal einen eigenen Film machen muss, und sei es mit 81.
1936 wurde Eleanor Coppola in Los Angeles geboren, als Tochter eines Karikaturisten, der starb, als sie zehn Jahre alt war. Sie studierte Design, und als Set-Designerin lernte sie 1962 Francis Ford Coppola kennen. Der erste Sohn Gian Carlo war bald unterwegs, so wurde geheiratet. In den nächsten Jahren wurde Francis Ford mit „The Conversation“und dem zweiteiligen „Der Pate“der berühmteste Regisseur Amerikas, während Eleanor noch den zweiten Sohn Roman und Tochter Sofia zur Welt brachte. Dann kam „Apocalypse Now“. Als der Film 1979 die Goldene Palme gewann, und 150 Millionen im Kino einspielte, hätte man die chaotischen Dreharbeiten auf den Philippinen, bei denen Darsteller ausfielen, Filmsets zerstört wurden, und die Produktion mehr als einmal vor der Pleite stand, vielleicht vergessen. Aber Eleanor hatte drei Jahre lang alles mit ihrer Kamera begleitet, und auch dann nicht weggeschaut, wenn es für ihren Göttergatten unangenehm wurde – so entstand „Heart of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse“, eine intime Innenansicht über den genialen Wahnsinn des Filmemachens und das Genie Francis Ford Coppola. Zusätzlich veröffentlichte sie auch noch ein Buch darüber, und man kann sagen, dass der Film zwar für sich schon ein Meisterwerk ist, aber erst durch Eleanor Coppolas Arbeit zur Legende wurde.
Danach hat Eleanor Kunstinstallationen mit Lynn Hershman gemacht und mit ihren Mann, der heute mehr Wein als Filme produziert, das Leben genossen. „Paris kann warten“, der jetzt beim Filmfest München Deutschlandpremiere hat, kommt daher aus dem Nichts: Die Geschichte über einen Filmemacher (Alec Baldwin), der mit seiner Frau (Diane Lane) und einem französischen Fahrer (Arnaud Viard) nach Paris fährt und dabei große räumliche wie psychische Umwege nehmen muss, ist offenbar autobiografisch inspiriert.
Das sagt man auch den Filmen ihrer Tochter Sofia nach, die seit 1999 Regisseurin ist, aber in der harten Filmbranche von manchen immer noch vor allem als die Tochter ihres Vaters gesehen wird – und das nach sechs erfolgreichen Filmen, dem Gewinn eines Goldenen Löwen (2010) und einer Silbernen Palme in Cannes. Die bekam sie im Mai für die beste Regie in „Die Verführten“.
Südstaatenmärchen Dieser Film, der kommende Woche ins Kino kommt, erzählt wie alle Sofia Coppola-Filme vom Leben und Erwachsenwerden in einem verfallenden Paradies – in diesem Fall einem Mädcheninternat während des US-Bürgerkriegs. Dieser Ort, eine zur Schule umfunktionierte, etwas heruntergekommene Südstaatenvilla mit prächtigem alten Garten mit Rosen und riesigen Bäumen, ist einer jener typischen Sofia-Coppola-Orte – sehr verwandt dem Hotel in „Lost in Translation“, dem Wunderkammer-Versailles in „Marie Antoinette“und dem leerstehenden Paris-Hilton-Haus in „The Bling Ring“mit seinen vollgestopften, überquellenden Zimmern.
„Die Verführten“ist ein erwachsenes Märchen aus dem Old South. Die Gefahren und Bruchstellen bleiben aber immer spürbar unter der idyllischen, vom Kerzenschimmer erleuchteten Oberfläche: Gelegentlich durchzieht ein kühler Hauch die Schwüle. Sofia Coppola erzählt auch eine Untergangsgeschichte. Sie handelt von mehr als nur den Folgen eines Krieges. Sie erzählt vom Abschied von einer Zivilisation und vom Tod.
Produziert hat den Film übrigens Roman Coppola, der 2013 mit „Charlies Welt“seinen zweiten eigenen Film gedreht hat, aber trotzdem lieber als Produzent und Drehbuchautor arbeitet. Bruder Gian Carlo kam 1986 bei einem Bootsunfall ums Leben. Aber zuvor setzte er eine Tochter in die Welt: Gia Coppola, der jüngste Spross und die dritte Frau dieser italoamerikanischen Kinodynastie. Ihr Debüt „Palo Alto2 (bei uns auf DVD) hatte vor drei Jahren in Venedig Premiere – eine Geschichte um das universale Thema des Sich-Verfehlens. Durch Zufälle, dadurch, dass man im falschen Moment am falschen Ort ist. Ein guter Film, der beweist – zumindest das große Talent haben diese drei Generationen Coppola-Frauen gemeinsam.