Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Woher kommt der Monet?

Bundeskuns­thalle macht eine „Bestandsau­fnahme Gurlitt“

- Von Dorothea Hülsmeier

(dpa) - Völlig verschimme­lt fanden die Restaurato­ren das Gemälde „Waterloo Bridge“(1903) von Claude Monet vor fünf Jahren im Salzburger Haus von Cornelius Gurlitt vor. Nun hängt das Gemälde im Depot der Bundeskuns­thalle Bonn. Im November wird es als eines von 255 Kunstwerke­n aus der Sammlung Gurlitt in der Ausstellun­g „Bestandsau­fnahme Gurlitt“gezeigt.

Der millionent­eure Monet steht exemplaris­ch dafür, welche Probleme Forscher bei der Klärung der Herkunft der über 1500 Werke aus dem Gurlitt-Fund haben. Denn Teile der Sammlung stehen unter NSRaubkuns­tverdacht.

Monets „Waterloo Bridge“befand sich im Besitz von Gurlitts Vater Hildebrand Gurlitt, der einer der Kunsthändl­er Adolf Hitlers war. 1923 bekam er das Monet-Gemälde als Hochzeitsg­eschenk von seiner Mutter. So stehe es jedenfalls auf der Rückseite eines 1938 entstanden­en Fotos des Monet-Gemäldes, sagt die Kunsthisto­rikerin Meike Hopp. 1938? „Warum hat Hildebrand Gurlitt ausgerechn­et 1938 auf das Foto den angebliche­n Herkunftsn­achweis geschriebe­n?“

Allein bei 200 Werken, die im November in Bonn gezeigt werden, besteht NS-Raubkunstv­erdacht. „Für Gurlitt gibt es keine Unschuldsv­ermutung“, sagt Lukas Bächer aus dem Kuratorent­eam. Zwar wurden konkret erst sieben Werke als Raubkunst identifizi­ert und teilweise an die rechtmäßig­en Besitzer zurückgege­ben. Aber bei Hunderten weiteren Arbeiten ist ein Raubkunstv­erdacht nicht auszuschli­eßen. Das letzte Stück fehlt Oft aber können die Forscher die letzten Lücken in dem Puzzle nicht füllen, vor allem wenn sie die Rätsel um jene Bilder lösen wollen, die Hildebrand Gurlitt in den 1940er-Jahren im von den Nazis besetzten Frankreich erwarb. Zum Beispiel ein weiblicher Rückenakt von Aristide Maillol. Gurlitt hatte die Rötelzeich­nung spätestens 1944 bei dem Pariser Händler Raphael Gérard erworben. Wem gehörte das Bild vorher? War es einer jüdischen Familie oder einem Sammler geraubt worden? Manchmal ist es nur der Hauch einer Beschriftu­ng auf der Rückseite eines Kunstwerks, den die Wissenscha­ftler mit moderner Technik versuchen zu entziffern.

Ebenso unklar ist, woher die großartige Marmorskul­ptur „Kauernde“von Rodin kam, die Hildebrand Gurlitt um 1940 in Frankreich erworben hatte. „Die Übergänge sind nicht immer klar“, sagt Bundeskuns­thallen-Intendant Rein Wolfs. Cornelius Gurlitt muss die Skulptur geliebt haben, sie stand auf der Anrichte seiner Münchner Wohnung.

Cornelius Gurlitt hortete auch das allein 19 Umzugskist­en umfassende Archiv seines Vaters. Rund 10 000 Seiten umfasst die Korrespond­enz von Hildebrand Gurlitt – Schriftstü­cke, Urkunden und sogar Geschäftsb­ücher sind darunter. Hinzu kommen rund 5000 Fotos. Eigentlich ein Glücksfall für Forscher. Allerdings fehlt seltsamerw­eise sämtliche Korrespond­enz vor 1945, und auch die Geschäftsb­ücher seien äußerst lückenhaft.

Als privilegie­rter Kunsthändl­er hatte der schillernd­e Hildebrand Gurlitt auch Zugang zum Beschlagna­hmedepot in Niederschö­nhausen in Berlin, wo die von den Nazis 1937 in den Museen konfiszier­ten Kunstwerke gelagert wurden. Einen Teil der von Gurlitt legal erworbenen „entarteten Kunst“wird das Kunstmuseu­m Bern zeitgleich zu Bonn ab Anfang November präsentier­en. Einen rechtliche­n Anspruch auf Rückgabe haben die betroffene­n Museen nicht. Der 2014 gestorbene Cornelius Gurlitt hatte seine Sammlung dem Kunstmuseu­m vermacht.

Das große Bonn-Berner Doppelproj­ekt „Bestandsau­fnahme Gurlitt“soll ab September 2018 im MartinGrop­ius-Bau präsentier­t werden und – so hoffen die Kuratoren – dann auf weltweite Wanderscha­ft gehen. Wolfs hofft darauf, dass durch die öffentlich­e Ausstellun­g weitere offene Fragen beantworte­t werden.

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FOTO: HENNING KAISER Rein Wolfs, Intendant der Bundeskuns­thalle, steht vor Monets Bild „Waterloo Bridge“.

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