Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Überfall auf Wettbüro aus Geldnot und Verzweiflung?
Angeklagter legt zum Auftakt der Hauptverhandlung ein ausführliches Geständnis ab und zeigt tiefe Reue
- Vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Ravensburg hat am Dienstagnachmittag der 21-jährige Angeklagte aus dem Raum Biberach ein ausführliches Geständnis abgelegt. Die Staatsanwaltschaft legt ihm eine besonders schwere räuberische Erpressung zur Last. Er soll am 29. November vergangenen Jahres gegen 22.50 Uhr ein Wettbüro in Biberach überfallen haben.
Dabei soll er mit einem Messer eine Mitarbeiterin des Wettbüros bedroht und die Herausgabe von Geld gefordert haben. Mit der Beute von circa 900 Euro soll der Mann dann in die Innenstadt geflüchtet sein, wo ihn Verfolger stellten und das Messer sowie die Beute sicherstellten (SZ berichtete). Aus geordneten Verhältnissen Der Angeklagte wird mit Fußfesseln ins Gericht geführt. Er sitzt seit der Tat in Untersuchungshaft. Gleich zu Beginn der Verhandlung kündigt sein Verteidiger Achim Ziegler eine Erklärung zur Sache an. Doch zunächst will der Vorsitzende Richter Jürgen Hutterer den Lebenslauf des Mannes abklären. In Biberach ist er mit sechs Halbgeschwistern in geordneten Verhältnissen aufgewachsen. Dort besucht er die Werkrealschule und beendet sie 2012 mit der mittleren Reife. Dann wird sein Leben ungeordnet. Zwei Ausbildungen bricht er ab. Mit kurzzeitigen Arbeitsverhältnissen hält er sich über Wasser. Er wohnt noch zu Hause. Nach einem Streit mit seiner Mutter zieht er im Juni 2016 in eine Einzimmerwohnung. Er lebt von 204 Euro Kindergeld und bekommt Arbeitslosengeld II vom Staat. Ein Lichtblick ist ein Ausbildungsvertrag, der im September 2017 beginnen soll.
Die Tat schildert der Verteidiger in allen Einzelheiten. Der Angeklagte ergänzt Details und schildert unter Tränen, warum es dazu kam. Er habe Schulden in Höhe von circa 1500 Euro gehabt. Viel für ihn. Am Tag des Überfalls bekam er seinen Angaben zufolge ein Schreiben von einem Inkassobüro, das ihm androhte, bei Nichtbezahlung von 400 Euro einen SchufaEintrag zu erwirken. Das habe bei ihm pure Verzweiflung ausgelöst. Er sieht seine ganze Zukunft gefährdet, weiß nicht genau, was so ein Eintrag wirklich bedeutet. Mit Kapuzenpulli und Halstuch So beschließt er in einer Panikreaktion, das Wettbüro zu überfallen. Er schildert, wie er mit Kapuzenpulli und Halstuch maskiert und mit einem Messer eine Angestellte bedroht und Geld erbeutet habe. Besucher des Wettbüros bemerken den Überfall. Er flieht, wird verfolgt und gestellt. Es kommt zum Handgemenge, er wird mit einer Holzlatte geschlagen und erhält einen Messerstich in die Hand. Nachdem die Verfolger das Geld wiederhaben, lassen sie ihn stehen. Als er wegen der Stichwunde später ins Krankenhaus geht, wird er festgenommen. Er gesteht sofort seine Tat.
Immer wieder beteuert der Angeklagte vor Gericht unter Tränen, wie leid ihm das alles tue. In den sieben Monaten Untersuchungshaft habe er viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Auch bei der Mitarbeiterin des Wettbüros, die er mit dem Messer bedroht hatte, entschuldigte er sich schriftlich und in der Verhandlung nochmals ausführlich. Die Studentin hatte nach dem Überfall ihren Job gekündigt, weil sie dort nicht mehr arbeiten konnte und bis jetzt noch keine neue Arbeit gefunden. „Was ich getan habe, war nicht richtig“, wiederholt der Mann immer wieder. Er hofft auf eine zweite Chance.
Das Gesetz sieht bei einer besonders schweren räuberischen Erpressung eine Mindeststrafe von fünf Jahren vor. Dies könnte gegeben sein, weil bei dem Überfall ein Messer verwendet wurde. Eine Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung sieht immerhin noch eine Mindeststrafe von drei Jahren vor.
Urteil vielleicht schon am Montag Die nächste Verhandlung mit wahrscheinlicher Urteilsverkündung findet am kommenden Montag, 3. Juli, um 9 Uhr statt. Ursprünglich waren fünf Verhandlungstage angesetzt.