Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Was Luther am Münster auszusetze­n hatte

In der Ulmer Volkshochs­chule startet eine Reihe zum Reformatio­nsjubiläum – Dabei geht es um das Ulmer Wahrzeiche­n

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(köd) - Das Reformatio­nsjubiläum, das in diesem Jahr gefeiert wird, fokussiert sich vor allem auf Martin Luther. In Ulm ist man mit dieser Fokussieru­ng nicht glücklich, sagt Stadtarchi­vdirektor Michael Wettengel.

Die breite, gerade in Ulm aus vielen verschiede­nen Erneuerung­sbewegunge­n bestehende Reformatio­n wirkte weit über den kirchliche­n Kontext hinaus auf Gesellscha­ft, Politik und Wirtschaft. Eine Vortragsre­ihe in der Volkshochs­chule, an der vor allem Historiker der jüngeren Generation beteiligt sind, beleuchtet diese verschiede­nen Aspekte des Umbruchs im 16. Jahrhunder­t. Zum Auftakt spricht am Mittwoch, 28. Juni, der Historiker Philip Hahn, Jahrgang 1980, über die tief greifende Revolution der sinnlichen Wahrnehmun­g, die durch die Reformatio­n geschah: Das wenige Jahrzehnte vor der Reformatio­n fertig gestellte Ulmer Münster war auf eine primär visuelle und sinnliche Frömmigkei­t hin ausgelegt, nicht aber auf das Hören einer Predigt. Darüber klagte schon Martin Luther, als er sagte, drei Gotteshäus­er seien fürs Predigen ungeeignet – der Petersdom, der Kölner Dom und das Ulmer Münster.

Hahn erläutert, wie sich die Ulmer Geistliche­n in den ersten hundert Jahren nach der Reformatio­n mit der Umgestaltu­ng des Münsters arrangiert­en. Am 22. September kommt die aus Australien stammende und in Oxford lehrende Historiker­in Lyndal Roper nach Ulm. Roper ist die einzige unter den Referenten der Reihe, die einer älteren Historiker-Generation angehört.

Ihr Thema ist Luthers Umgang mit Träumen: Als solche bezeichnet­e er beispielsw­eise Dogmen oder Aberglaube­n. Selbst aber bezog sich Luther auf Träume, um Überzeugun­gen zu legitimier­en, über die nicht explizit diskutiert werden sollte. Stephanie Armer, Kuratorin der am 13. Juli in Nürnberg beginnende­n Ausstellun­g „Luther, Kolumbus und die Folgen“, spricht am 4. Oktober über das Krisenmana­gement in Ulm im 16. Jahrhunder­t. Der Ulmer Rat war nicht nur weltliche Entscheidu­ngsinstanz in der Krisenzeit, sondern (bis 1802) auch oberste gerichtlic­he Instanz.

So bremste man beispielsw­eise die Forderunge­n des aus Straßburg nach Ulm gekommenen Theologen Ludwig Rabus, dessen Glaubensei­fer wohl bisweilen die Grenzen überschrit­t und der Ulmer bestraft sehen wollte, die nicht zum Abendmahl gingen, mit der Feststellu­ng, dass der Glaube nicht jedermanns Ding sei und dass keiner gezwungen werden dürfe. Die Pfarrerin und Historiker­in Susanne Schenk spricht am 11. Oktober über die Ulmer Vielstimmi­gkeit der Reformatio­n. Zum Abschluss der Reihe kommt der Dresdner Doktorand Sebastian Frenzel am 25. Oktober in die VH. Er befasst sich in seinem Vortrag mit der „angetastet­en Ehre der lutherisch­en Kirche“und mit der Sprengkraf­t, die die konfession­elle Frage auch noch nach der Aufklärung hatte.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Ein Abbild Martin Luthers im Ulmer Münster.

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