Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Vom Beißer zum Schreiber
Vor 20 Jahren biss Tyson Holyfield ein Stück Ohr ab
(SID/sz) - Mike Tyson schäumt vor Wut. Es läuft die dritte Runde in diesem mit Spannung erwarteten WM-Fight gegen Evander Holyfield, und der in die Jahre gekommene Ex-Champ findet partout kein Mittel. Ständig setzt ihm sein Kontrahent zu. Schließlich verliert „Iron Mike“die Nerven, beißt Holyfield ein 1,5 Zentimeter langes, einen halben Zentimeter tiefes Stück aus dem rechten Ohr. Ein ungeheuerlicher Vorgang – 16 331 Zuschauer im MGM Grand Hotel von Las Vegas sind entsetzt.
Evander Holyfield schreit vor Schmerz und zeigt immer wieder auf sein blutendes Ohr. Ringrichter Mills Lane beruhigt die Gemüter, verwarnt Tyson zunächst, lässt die Runde zu Ende boxen und disqualifiziert den Ohrbeißer dann nach Rücksprache mit dem Kampfgericht. „Er hat das mit voller Absicht getan, ich war sicher, dass mein Ohr ab ist“, sagte Holyfield über die Attacke, die sich heute zum 20. Mal jährt.
Für Mike Tyson kommt es damals knüppeldick. Der nach eigenen Worten „Baddest Man of the Planet“wird für ein Jahr gesperrt. Zwei Tage vor seinem 31. Geburtstag steht der nur 1,80 Meter große Tyson am Anfang vom Ende seiner Karriere. Er wird nie mehr Weltmeister. 2002 bekommt er noch eine letzte WMChance, geht gegen Lennox Lewis aber in der achten Runde K.o.
Trotz des unwürdigen Karriereendes gilt Mike Tyson hinter Muhammad Ali weltweit als zweitpopulärster Boxer. Seine Anfangsjahre waren grandios. Das Raubein aus Brooklyn/New York verprügelte seine Gegner nach Belieben und wurde mit 20 Jahren zum jüngsten Weltmeister im Schwergewicht. Sein Privatleben bekam Tyson allerdings nie in den Griff. Schon als Teenager geriet er auf die schiefe Bahn. Später wird er wegen Vergewaltigung, Körperverletzung und Drogenbesitzes verurteilt und muss ins Gefängnis. 500 Millionen US-Dollar soll er verprasst haben.
Umso erstaunlicher ist die Entwicklung des heute 50-Jährigen in jüngerer Vergangenheit. Mit Holyfield hat er sich längst versöhnt. Und Tyson machte zuletzt als charismatischer Bühnenmann in der Kulturszene von sich reden. Der einstige K.o.Schläger ging in den USA mit dem Ein-Personen-Stück „The Undisputed Truth“aus der Feder von Spike Lee auf Tournee und feierte nicht nur am Broadway große Erfolge. Inhalt des Stücks: die Biografie Mike Tysons.
Derzeit veröffentlicht Tyson sein zweites Buch „Iron Ambition“. Darin geht es um seinen ersten Trainer und Ersatzvater Cus D’Amato. Ihm hatte der Heranwachsende den Sprung ins Profigeschäft zu verdanken. 1985, noch ein Jahr vor seinem ersten WMTriumph, verstarb der wichtige Förderer. Vielleicht wäre ihm mit D’Amato an seiner Seite ja der ein oder andere Skandal erspart geblieben.