Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Munderkinger kann sich an Tat nicht erinnern
Schal um den Hals des Kindes wirft Fragen auf – Sohn sollte nicht „ohne Liebe“leben
MUNDERKINGEN - Mit der Verlesung einer Stellungnahme des wegen Mordes angeklagten Munderkingers hat am Mittwoch der dritte Prozesstag um die Tötung eines Sechsjährigen in Munderkingen im vergangenen Juli begonnen. Persönlich wird sich der 43-Jährige im Prozessverlauf nicht äußern. Vier Zeugen haben außerdem die Geschehnisse in der Nacht der Entdeckung geschildert.
Aufgrund einer Amnesie, vermutlich in Folge der schweren Kohlenmonoxid-Vergiftung, könne sich der Angeklagte weder an die Tat noch an die Tage davor erinnern, erklärt sein Verteidiger am Mittwoch im Ulmer Landgericht. Deshalb werde sein Mandant weder Angaben zur Sache machen, noch Fragen beantworten, so Anwalt Thorsten Storp, bevor er die Erklärung des Angeklagten verlas. „Geschehnisse zutiefst bereut“Demnach gehe der 43-Jährige aufgrund der Aktenlage davon aus, dass er für den Tod seines Sohnes verantwortlich ist, deshalb wolle er sich auch der Verantwortung stellen. Auch wenn er wisse, dass sein Handeln durch nichts gutzumachen sei, wolle er denjenigen, die das Kind geliebt haben, versichern, dass er die Geschehnisse zutiefst bereue. Er selbst leide sehr unter der Erkenntnis, dass sein Sohn tot sei. Auf die Frage des Richters Gerd Gugenhan, ob die Erklärung in seinem Sinne gewesen sei, antwortete der Mann mit einem leisen Ja.
Der Munderkinger Feuerwehrmann, der am Mittwoch ausgesagt hat, gehörte zu den Ersten, die am späten Abend des 13. Juli 2016 die Munderkinger Wohnung betraten, in der der Angeklagte mit seinem Sohn gelebt hatte. Nachdem seine Kollegen die Tür geöffnet hatten, sei entdeckt worden, dass im Schlafzimmer ein Holzkohlegrill angezündet worden war. Die Aufgabe des Zeugen sei es gewesen, den Grill nach draußen zu schaffen. Dieser sei damals bereits kalt gewesen, sagte der Feuerwehrmann vor Gericht. Auf einer Skizze hatte er dokumentiert, dass der Grill mittig am Fußende des Doppelbettes stand, in dem Vater und Sohn gefunden wurden.
Die Erstversorgung vor Ort übernahm damals der Leiter der Ehinger Rettungswache. Weil der Vater die Augen beim Eintreffen des Retters geöffnet hatte und sich das Kind nicht regte, habe er sich zuerst dem Jungen zugewendet. „Aber es war schnell klar, dass das Kind bereits tot war“, so der Zeuge. Ganz blau sei das Gesicht des Kindes gewesen und auch die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt. Auffällig sei gewesen, dass der Junge mitten im Sommer einen Schal um den Hals gelegt hatte. Die Szenerie habe auf ihn den Eindruck gemacht, als könnte das Kind stranguliert worden sein. „Solche Bilder kenne ich sonst nur von Patienten, die sich erhängt haben“, sagte der Mann. Der Schal war auch dem Notarzt in der Nacht aufgefallen, wie er am Mittwoch im Zeugenstand bestätigte. Angeklagter lachte Notarzt nur an Für eine Gewalteinwirkung auf den Hals des Kindes habe es bei dessen Obduktion allerdings keine Hinweise gegeben, erklärte der zuständige Kriminalbeamte. „Die Todesursache war ein sogenanntes weiches Ersticken durch das Kohlenmonoxid“, so der Kriminalhauptkommissar. Der Vater sei beim Auffinden ansprechbar, aber desorientiert und verwirrt gewesen. „Er konnte nur die Frage nach seinen Geburtsdatum richtig beantworten“, berichtete der Notarzt. Er und auch der Ersthelfer hatten den Mann gefragt, was er getan habe, eine Antwort erhielten sie nicht. Der Angeklagte habe beide nur angelacht.
Drei Briefe hat der Angeklagte auf seinem Nachttisch deponiert, berichtete der Kriminalbeamte. Einen an seinen Vater, einen an seine Ex-Frau und einen an die Einsatzkräfte. Einen der Briefe hatte der Angeklagte vermutlich bereits am 7. Juli verfasst, dem Tag, an dem vor dem Familiengericht entschieden wurde, dass der Junge künftig bei seiner Mutter leben solle. Mit der Zeile „Seid bitte nicht böse“beginnt der Brief an den Vater des Angeklagten. Er habe nicht mehr die Kraft, weiterzukämpfen, heißt es weiter. Seinen Sohn habe er „mitnehmen“wollen, weil er schon zu diesem Zeitpunkt gelitten habe und er ihn vor einem „Leben ohne Liebe“bei der Mutter habe schützen wollen. Diese habe ihm schließlich stets vorgeworfen, dass er sie damals von einer Abtreibung abgehalten habe. Von dem Jungen wolle er auch erfahren haben, dass die Mutter und ihr neuer Lebensgefährte das Kind als „erzieherische Maßnahme“schlagen würden. Ähnliche Worte richtete der 43-Jährige in dem Abschiedsbrief an seine Ex-Frau. Diese beglückwünschte er zudem zum „Sieg“. Im letzten Satz hieß es: „Ich wünsche dir ein schönes Leben ohne Kind, so wie du es immer wolltest.“
Beeindruckend gut hatte der Angeklagte, in der Hoffnung gemeinsam mit seinem Jungen zu sterben, seinen Nachlass organisiert. So detaillierte Vorbereitungen habe der erfahrene Kriminalbeamte noch nie erlebt, erklärte er. Auf dem Esszimmertisch hatte der 43-Jährige sämtliche persönlichen Dokumente und Papiere bereitgelegt.
Weitere Zeugen und zwei Sachverständige werden am Montag, 3. Juli, vor Gericht aussagen.