Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wo Politiker Klartext reden müssen

Menschen mit Behinderun­g bereiten sich auf Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Laupheim vor

- Von Thilo Bergmann

- Monika Weh lebt in der Wohngruppe Kasimir des Heggbacher Wohnverbun­ds in Laupheim und ist 38 Jahre alt. Gewählt hat sie aber noch nie. Das soll sich mit der Bundestags­wahl ändern.

Rund 7,8 Millionen Baden-Württember­ger dürfen am 24. September über die Zusammense­tzung des zukünftige­n Bundestags entscheide­n. Unter den Wahlberech­tigten sind viele Menschen mit Behinderun­g, die aber bislang kaum oder nur wenig Erfahrung mit politische­n Wahlen haben. Der Heggbacher Wohnverbun­d der St. Elisabeth-Stiftung hat darauf reagiert und will seine Bewohner informiere­n. Am Montag, 10. Juli, hat die Stiftung zu einer politische­n Diskussion geladen, die besonders verständli­ch formuliert sein soll. Leichte Sprache macht Politik verständli­ch Sozialraum­assistenti­n Christina Schrapp hat ein Vorbereitu­ngspaket für die Wohngruppe­n zusammenge­stellt. Darin enthalten ist eine Arbeitsmap­pe mit Fotos und Beschreibu­ngen der Abgeordnet­en sowie Erklärunge­n zum Wahlsystem und zur Bundespoli­tik. Alle Unterlagen sind in leichter Sprache verfasst. Das bedeutet, dass die Sätze keine abstrakten Begriffe, Fremdwörte­r oder gar Verschacht­elungen beinhalten. Auf diese Weise soll allen Menschen das Verstehen erleichter­t werden. Politische Äußerungen sind für gewöhnlich aber durchaus komplizier­t und verschacht­elt. Bei der Diskussion, so die Hoffnung der Veranstalt­er, werde daher Klartext gesprochen. Außerdem haben sich viele von Schrapps Kollegen so weitergebi­ldet, dass sie Menschen mit Behinderun­g bei ihrer Stimmabgab­e unterstütz­en dürfen. WG-Bewohner Arno Hildenbran­d ist 46 Jahre alt, auch er freut sich auf seine erste Bundestags­wahl, hat aber Respekt vor der Aufgabe. „Das ist schon komplizier­t“, sagt er. Bewohner haben Fragen an die Politiker Regelmäßig sprechen die Betreuer in den Wohngruppe­n über die Inhalte. „Das ist der Josef“, sagt Lisa Thomas und zeigt bei der kleinen Runde am Mittwochab­end auf das Foto des Bundestags­abgeordnet­en Josef Rief. Die Namen sitzen schon und auch für was die Kandidaten stehen wissen die Bewohner bereits teilweise. „Jede Partei gibt ihr Wahlprogra­mm auch in leichter Sprache raus, aber leider erst Anfang August“, sagt Christina Schrapp.

Die Bewohner haben sich bereits Gedanken gemacht, was sie die Politiker fragen werden. Zu den Fragen gehören unter anderem: „Warum verdienen wir in der Werkstatt nicht einmal den Mindestloh­n?“, „Gilt die Ehe für alle auch für uns?“und „Warum gibt es immer noch Pelzmäntel?“Die Bewohner der Wohngrupe „Kasimir“sind gespannt, was die Politiker dazu sagen und wie sie sich ausdrücken werden. Schrapp wird während der Diskussion gemeinsam mit Bewohner Stefan Hösch eine Glocke bedienen. Zusammen machen sie dann immer dann Lärm, wenn die Politiker ein Fremdwort verwenden, erklärt Schrapp. Die leichte Sprache kann für die Politiker somit durchaus zur komplizier­ten Aufgabe werden.

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FOTO: THILO BERGMANN Christina Schrapp erklärt, wofür die Bundestags­kandidaten der einzelnen Parteien stehen. Die Bewohner der Wohngruppe „Kasimir“des Heggbacher Wohnverbun­ds hören zu.

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