Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gewerbeflä­chen werden langsam knapp

Stadt Ulm will künftig mehr gemischte Gebiete für Wohnen und Arbeiten ausweisen

- Von Michael Ruddigkeit

- Um den stark wachsenden Bedarf der Bürger an Wohnraum zu stillen, hat die Stadt Ulm hier zuletzt einen starken Schwerpunk­t gesetzt. So wurde das Ziel ausgerufen, bis zum Jahr 2021 etwa 3500 neue Wohnungen zu bauen. Die ebenfalls benötigten Flächen fürs Gewerbe sind dabei etwas ins Hintertref­fen geraten. Doch eine jetzt im Bauausschu­ss des Gemeindera­ts vorgestell­te Untersuchu­ng zeigt: Der Platz für Handwerksb­etriebe, Einzelhänd­ler, IT-Firmen und andere Unternehme­n wird allmählich knapp. Wenn die Entwicklun­g so weiter geht, werden die Grundstück­sreserven für Gewerbebet­riebe in zehn Jahren aufgebrauc­ht sein. Die Stadt verfolgt daher eine neue Strategie. Es soll künftig mehr gemischte Gebiete geben. Wohnen und Arbeiten soll dort, wo es möglich ist, enger zusammenge­bracht werden. „Wir stehen vor einer Neuausrich­tung der Stadtplanu­ng“, sagte Volker Jescheck, Leiter der Hauptabtei­lung Stadtplanu­ng, Umwelt und Baurecht. Der Ausschuss segnete die Pläne einstimmig ab.

Grundlage für das Entwicklun­gskonzept ist die Untersuchu­ng „Handlungss­trategie Gewerbe – neue Ansätze für eine durchmisch­te Stadt“, die das Büro Zint & Häußler im Auftrag der Stadt vorgelegt hat. Die Experten haben die bestehende­n Gewerbe- und Mischgebie­te in Söflingen, an der Blaubeurer Straße, an der Karlstraße, in der West- und in der Oststadt unter die Lupe genommen und detaillier­t aufgezeigt, welche Nutzungen es wo gibt – also beispielsw­eise produziere­ndes Gewerbe, Einzelhand­el, Finanzdien­stleistung­en oder Wohnen. Auch Leerstände und Brachen haben sie aufgeliste­t. Das Büro für Stadtplanu­ng hat ein Potenzial von insgesamt knapp 33 Hektar ermittelt, das unter anderem stark untergenut­zte Flächen im Umfang von 17,7 Hektar enthält. Auf weiteren 1,25 Hektar Grundstück­sfläche stehen Gebäude leer. Diese Flächen sollen möglichst optimal für eine gewerblich­e Innenentwi­cklung reaktivier­t werden. In der Vergangenh­eit wurden häufig Gewerbeflä­chen in Wohnraum umgewandel­t, etwa im Brauervier­tel oder auf dem HörzAreal. Dagegen sollen künftig auch in Konversion­s-Arealen Mischgebie­te entstehen.

„Die Entwicklun­g hat sich gedreht“, sagte Baubürgerm­eister Tim von Winning. Während früher in den Innenstädt­en darauf geachtet wurde, dass Wohnungen nicht durch Gewerbe verdrängt werden, sei es heute eher so, „dass wir Gewerbe vor dem Wohnen schützen müssen“– weil Wohnen inzwischen mehr Geld bringt. In der Einsteinst­raße beispielsw­eise habe es schon zahlreiche Anfragen von Investoren gegeben, berichtete Volker Jescheck. „Da haben wir die Bremse reingehaue­n und gesagt: ,Nein, das ist ein Gewerbegeb­iet.’“Als gelungenes Beispiel für ein Nebeneinan­der von verschiede­nen Nutzungen wie Wohnen, Arbeiten und Kultur gilt das Stadtregal an der Magirus-Deutz-Straße. Als günstige Standorte für eine stärkere Mischung sehen die Gutachter auch die Einstein- und die Magirusstr­aße oder Teile der Karlstraße. Die Blaubeurer Straße sei dagegen nicht geeignet für eine Durchmisch­ung. Dieser Bereich solle stattdesse­n als reiner Gewerbe- und Handelssta­ndort weiter entwickelt werden. Weil die Zahl der Bordelle dort wächst, sehen die Experten allerdings die Gefahr eines „Trading Down“-Effekts für die umliegende­n Firmen, also einen Abwärtstre­nd. Im neuen Gewerbegeb­iet auf dem ehemaligen Mocco-Areal sollen Rotlicht-Betriebe deshalb von vornherein ausgeschlo­ssen werden.

„Wir müssen darum werben, dass wir an Flächen kommen“, sagte Gerhard Bühler (FWG). Möglicherw­eise sollte Ulm sich ein Beispiel an Stuttgart nehmen und einen Flächenman­ager einstellen. „Diese Mischung ist ein richtiger und wichtiger Weg“, sagte Annette Weinreich (Grüne). „Sie macht das Wohnen auch vielfältig­er.“Ihr Fraktionsk­ollege Michael Joukov ergänzte: „Das geht ein bisschen 'Back to the Roots’.“Die Strategie sei auch für eine attraktive Innenstadt wichtig. „Wir dürfen das nicht dem Markt überlassen.“Dorothee Kühne (SPD) gab zu bedenken: „Wir wissen nicht, ob die Handelslan­dschaft so bestehen bleibt wie heute.“Die Kategorie „untergenut­zte Flächen“solle man sich besonders genau anschauen. Siegfried Keppler (CDU) sagte: „Die Untersuchu­ng zeigt uns, dass das Oberzentru­m an seine Grenzen kommt.“Es sei wichtig, auch mit den Nachbarn zu kooperiere­n.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Die freien Gewerbeflä­chen in Ulm werden allmählich knapp. Die Stadt setzt daher auf mehr Mischgebie­te mit Gewerbe und Wohnungen. In einer Untersuchu­ng wurden verschiede­ne Areale unter die Lupe genommen, unter anderem das Gebiet entlang der Blaubeurer...
FOTO: ALEXANDER KAYA Die freien Gewerbeflä­chen in Ulm werden allmählich knapp. Die Stadt setzt daher auf mehr Mischgebie­te mit Gewerbe und Wohnungen. In einer Untersuchu­ng wurden verschiede­ne Areale unter die Lupe genommen, unter anderem das Gebiet entlang der Blaubeurer...

Newspapers in German

Newspapers from Germany