Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Zuwanderung aus der EU stabilisiert Sozialversicherungen
Deutschlands Bevölkerung wird vielfältiger. Denn in der Bundesrepublik leben immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund. Ihr Anteil erreichte 2016 nach Angaben des Statistischen Bundesamts zum fünften Mal in Folge einen neuen Höchststand. Der starke Anstieg ist vor allem auf die hohe Zuwanderung von Ausländern einschließlich der Flüchtlinge in den Jahren 2015 und 2016 zurückzuführen.
2016 hatten laut Statistik 18,6 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund; fast 1,5 Millionen mehr als 2015. In der Folge stieg der Bevölkerungsanteil mit ausländischen Wurzeln von 21 auf 22,5 Prozent.
Dabei machen Bürger mit einem ausländischen Pass mit neun Millionen weniger als die Hälfte aller Personen mit Migrationshintergrund aus. 9,6 Millionen Menschen mit Migrationserfahrung haben einen deutschen Pass, aber ausländische Vorfahren oder sind als Aussiedler in die Bundesrepublik gekommen. 12,7 Millionen Menschen haben eigene Migrationserfahrung, die übrigen sechs Millionen sind bereits in der Bundesrepublik geboren. Türkei hat an Relevanz verloren Europa ist weiterhin die wichtigste Herkunftsregion der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Die Bedeutung anderer Erdteile ist in den vergangenen fünf Jahren jedoch gestiegen. 2,3 Millionen Menschen in Deutschland haben ihre Wurzeln im Nahen und Mittleren Osten. Das ist gegenüber 2011 ein Zuwachs von fast 51 Prozent. Afrika gewinnt ebenfalls an Bedeutung. 740 000 Menschen sind afrikanischer Herkunft – gut 46 Prozent mehr als 2011. Die Türkei ist noch immer mit Abstand das wichtigste Herkunftsland, hat aber seit 2011 an Relevanz verloren.
Bevölkerungsexperten sind sich sicher, dass auch die verstärkte Zuwanderung den Alterungsprozess der Gesellschaft nur verlangsamen wird. Dennoch ist bemerkenswert, dass Personen mit Migrationshintergrund durchschnittlich deutlich jünger sind als jene ohne Migrationshintergrund (35,4 gegenüber 46,9 Jahre). Bei den unter Fünfjährigen stellen Personen mit ausländischen Wurzeln 38,1 Prozent der Bevölkerung.
Allerdings sind zugleich Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von 25 bis 65 Jahren häufiger erwerbslos als jene ohne (6,6 Prozent gegenüber 3,2 Prozent aller Erwerbspersonen) oder gehen ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung nach, beispielsweise einem Minijob (9,7 Prozent gegenüber 5,9 Prozent aller Erwerbstätigen). Die Zuwanderung hat auch Folgen für die Sozialversicherungen: Die wachsende Zahl an Zuwanderern vor allem aus der EU stabilisiere die Finanzlage der Sozialversicherungen, berichtet das „Handelsblatt“. Deshalb seien Renten- und Krankenkassenbeiträge trotz kostspieliger Reformen auf absehbare Zeit stabil. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen erklärte, dass Zuwanderer den gesetzlichen Krankenkassen einen neuen Mitgliederrekord und eine Trendwende gegen das Älterwerden der Versicherten gebracht hätten.
Bevölkerungsforscher sind überzeugt, dass der wachsende Anteil an Migranten auch die kulturelle und religiöse Vielfalt weiter vergrößern wird – was die einen als Chance begrüßen und andere als Verlust politischer Stabilität und kultureller Identität fürchten. (KNA)