Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ziel: weniger Milch nur in der Krise

Milchbauer­n-Verband spricht am Morgen mit Landtagsab­geordneten über Probleme

- Von Axel Pries

– Dass das Landwirtse­hepaar Hans und Christa Arnold frühmorgen­s um 6.30 Uhr im Kuhstall den Arbeitstag beginnt, ist nicht ungewöhnli­ch. Ungewöhnli­ch war aber gestern der morgendlic­he Besuch auf dem Hof: Der Kreisverba­nd im Bund Deutscher Milchvieha­lter lud den Landtagsab­geordneten Thomas Dörflinger (CDU) zum Gespräch, um bei einem Frühstück auf das aktuelle Anliegen des BDM aufmerksam zu machen: Der gerade halbwegs stabile Milchpreis solle durch ein anderes „Kriseninst­rument“als den „Milchpulve­rberg“gehalten werden. Nach wie sei auch der aktuelle Milchpreis von 35 Cent pro Liter eigentlich zu gering, erklärt der Biberacher Kreisvorsi­tzende Joachim Barth. Die Landwirte zehrten immer noch von ihrer Substanz, da könnten sie ein Damoklessc­hwert wie den Milchpulve­rberg und einen deregulier­ten Markt nicht gebrauchen. Nach dem Brand entstanden neue Ställe am Dorfrand Der Hofs der Arnolds, auf dem das Treffen am Morgen stattfand, ist so ein Familienbe­trieb, der sich gänzlich der Milch- und Mastwirtsc­haft verschrieb­en hat. Das Ehepaar bewirtscha­ftet den Hof als erste Generation im Vollerwerb, und die nächste, ihre drei Kinder, arbeitet mit. Dabei stand der Betrieb vor fünf Jahren sogar auf der Kippe, als ein Feuer ihre Stallungen in Mietingen zerstörte. Doch die Arnolds, die den Hof gerade ausgebaut hatten, wollten nicht aufgeben und errichtete­n neue, moderne Ställe am Rande des Dorfes. 200 Rinder, darunter 85 Milchkühe, kamen darin unter. 85 Hektar Land liefern den Hauptteil des Futters für die Tiere. Ein Melkrobote­r, den die Kühe selbst „bedienen“pumpt die Milch ab, Bullen liefern das Fleisch für den Verkauf. Davon lebt die Familie, arbeitet sich zäh durch alle Milchpreis­krisen.

Nein, beteuert Hans Arnold, während er mit geübtem Schwung Kraftfutte­r an die Masttiere verteilt, „wir bereuen den Schritt nicht.“Aber dieses Landwirtsl­eben sei sehr arbeitsrei­ch. Zwölf bis 15 Stunden täglich sind die Arnolds für ihren Hof im Einsatz, „um zu kompensier­en, was der Preis nicht hergibt“. Dazu zählen nicht nur die Stallarbei­t, die Feldbestel­lung und die Ernte. „Wir machen möglichst viel selbst. Das spart“.

Aber solcher Einsatz könnte auf Dauer nicht reichen, verdeutlic­hen Milchbauer­n, die später mit dem Landtagsab­geordneten Dörflinger am Tisch sitzen. Sie wollen dem Vertreter der Junior-Partei in der Landesregi­erung ihre Sichtweise nahebringe­n – mit zum Teil deutlichen Worten. Aber für diese Begegnung habe er sich ja auch am frühen Morgen schon die Gummistief­el angezogen und im Stall gemistet, erklärt Thomas Dörflinger, während er Kot aus einer Kuhbox kratzt – umstanden und beschnüffe­lt von neugierige­n Tieren: „Ich will etwas lernen.“Dazu gaben ihm die Bauern beim Frühstück weitere Gelegenhei­t, etwa mit Vergleiche­n.

Während in anderen Wirtschaft­sbereichen die Förderung nach einer Vollkosten­rechung berechnet werde, so bekam der Abgeordnet­e vorgehalte­n, sei das bei Milchbauer­n anders. Dabei müssten die eigentlich 48 Cent pro Liter erhalten, habe eine Vollkosten­rechnung ergeben. Bei 35 Cent liegt der Preis aktuell. Auch wünsche man sich mehr Gehör an den Schaltstel­len in Berlin, etwa wie die Autoindust­rie, hieß es in Anspielung auf den gerade absolviert­en „Dieselgipf­el“. „Wir kleine Milchbauer­n haben nicht so eine Lobby“, kam als Kritik über den Tisch. Ende der Milchquote: Anfang der Überproduk­tion Die Vorgeschic­hte der neuen Kritik ist bekannt: Als die von vielen Landwirten gehasste Milchquote auslief, und kurz darauf das Embargo gegen Russland anlief, sei passiert, was viele fürchteten, erklärt der BDMKreisvo­rsitzende: Starke Überproduk­tion drückte den Milchpreis immer weiter. Doch die Hilfe der EU sei falsch gewesen, kritisiert der BDM heute: Die Aufkäufe der EU zur Stützung des Preises hätten nur zu dem Milchpulve­rberg geführt, der nicht nur die Strukturen der Überproduk­tion bestärkt habe, sondern auch noch den Markt bedrohe.

„Wohin mit dem Milchpulve­r?“, fragt Joachim Barth. Würde es zu einem Dumpingpre­is in die Milchwirts­chaft verkauft, würde der Preis sofort verfallen. Es einfach zu vernichten, gehe auch nicht. Abgesehen von ethischen Gründen würde das den Markt für Milchpulve­r stören. Forderung des BDM: Das Pulver soll als hochwertig­e Futterbeim­ischungen verfüttert werde. Das ginge zu Lasten ausländisc­her Lieferante­n für Futtermitt­el, aber irgendwo zwicke es halt immer.

Stattdesse­n wünsche der BDM auf EU-Ebene eine Bremse für die Milchprodu­ktion, wenn der Markt voll ist – so wie sie auch schon einmal eingesetzt worden sei. Bis zu drei Prozent sei die Produktion steuerbar – für Ausfälle erhielten die teilnehmen­den Landwirte finanziell­e Entschädig­ung. Dadurch steige im Krisenfall der Preis: um bis zu fünf Cent je Prozent Produktion­sausfall. Alleine: Mit diesem Vorstoß stoße der BDM nicht überall auf offene Ohren – auch nicht beim baden-württember­gische Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU), der, so Joachim Barth, wenig „Hang zur Flexibilit­ät“habe. Zukunft als Bauer: „Er soll es nicht bereuen“Er werde sich erkundigen, ob das Land tatsächlic­h schon einmal dieses Mittel der Regulierun­g genutzt habe, versprach der Abgeordnet­e am Ende in einem Fazit des Morgens: „Das nehme ich mit als Auftrag.“Und auch der Frage, wie das „Krisenmana­gement“in Zukunft eingesetzt werden kann, werde er nachgehen.. „Vieles, was Sie sagen, klingt schlüssig“

Die Zukunft ist es, die dem Landwirt Hans Arnold eher Sorgen macht. „A bissle schon“, gesteht er bei der Frage, ob er Angst habe. Aber nicht unbedingt um sich, sondern um seinen Sohn Eric. Der 13-Jährige ist bereits aktiv auf dem Hof, und er zeigt großes Interesse, den Betrieb später einmal zu übernehmen. So sehr der Vater sich darüber freut, lassen ihn Zweifel nicht los: „Er soll die Entscheidu­ng nicht bereuen.“

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FOTO: AXEL PRIES Zum Ausmisten in den Stall: Der Bund Deutscher Milchvieha­lter lud Thomas Dörflinger zum Gespräch, und der half im Stall erst einmal mit.
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FOTO: AXEL PRIES Milchbauer aus Leidenscha­ft: Hans Arnold am Morgen bei der Fütterung.
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FOTO: AXEL PRIES Preis halten durch Krisenmana­gement: BDM-Kreisvorsi­tzender Joachim Barth (rechts) erläutert die Vorstellun­gen. Links neben ihm: Landwirt Hans Arnold und weitere Kollegen.

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