Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mit 40 Schafen im Dienste der Gemeinde

Schäferin Inka Herzbach beweidet kommunale Flächen – Vom Marketing-Büro ins Grüne

- Von Axel Pries

– Wenn Inka Herzbach zu ihrer Herde kommt, dann springt ihr ein schwarzes Lämmchen schon freudig entgegen: „Gwen“, eine im Mai geborene Heidschnuc­ke, die auf ihre Flasche mit Milch wartet. Das ist einer der niedlichen Momente im Leben der Schäferin, die gerade rund um Burgrieden anzutreffe­n ist. Inka Herzbach geht dort mit ihrer Schafherde einer gemeindlic­hen Aufgabe nach: Sie „mäht“die kommunalen Fläche auf die denkbar natürlichs­te Art. Ganz offiziell auf Beschluss des Gemeindera­ts.

Für eine Reihe von Flächen der Gemeinde bekam die junge Schäferin vor kurzem den Auftrag, den Bewuchs mit ihren Schafen kurz zu halten, erläutert Burgrieden­s Hauptamtsl­eiter Andreas Munkes. „Das ist ein völlig neues Projekt!“Es geht um Grünfläche­n, die aktuell nicht genutzt werden oder auch einfach offen gehalten werden sollen, ohne dass es viel Geld kostet. Und mit dieser Lösung kostet es die Gemeinde gar kein Geld. Zu diesen Flächen zählt etwa der Bike-Parcour zwischen Burgrieden und Rot mit den Regenrückh­altebecken auf knapp 6000 Quadratmet­ern. Dazu zählen auch 2650 Quadratmet­er beim Amselaugra­ben oder fast 2,3 Hektar am Nonnenberg­graben. Die meisten Flächen sind wilde Naturstück­e, die zu pflegen schon wegen ihrer Unzugängli­chkeit aufwendig wäre – und genauso kostenträc­htig. „Eine Win-Win-Situation“Da kam der Gemeinde die Vermittlun­g von Inka Herzbbach durch eine befreundet­e Hobbyschäf­erin gerade recht. Die Gemeinde und die Schäferin schlossen einen Pachtvertr­ag, der vorsieht, dass sie die Flächen kostenlos als Futterstel­len für ihre Schafe nutzen darf. Heißt: Sie hat Futter für die Tiere, die Gemeinde bekommt kurz gehaltene Grünfläche­n. „Es ist eine Win-Win-Situation“, erklärt Andreas Munkes die Hoffnung hinter dem Abkommen.

Der 36-jährigen Inka Herzbach, die sich gerade anschickt, von Bad Mergenthei­m nach Burgrieden zu ziehen, kommt der Auftrag höchst gelegen. 40 Mutterscha­fe hütet sie mit ihren vier Hunden – sämtlich Bordercoll­ies, die auf englische Befehle hören – und stellt fest: „Arbeit in der Natur mit Tieren. Ich mache das wahnsinnig gern!“Dabei hat ihr Berufslebe­n ganz anders angefangen, und sie hat auch einen völlig anderen Hintergrun­d als die Schäferei.

Die studierte Soziologin arbeitete in einer Marketing-Firma, als das Schaf-Fieber bei ihr ausbrach. Ihr damaliger Chef besaß 120 Tiere, die sie mit ihm zusammen hütete. „Das war ein schöner Ausgleich zu der Büroarbeit“, erzählt sie bei einem Besuch am Rande von Burgrieden. Dort fressen die Tiere sich gerade durch ein unebenes Wiesenstüc­k am Bach.

Sie beschloss, mehr aus dem Hobby zu machen – und dafür intensive Erfahrunge­n bei profession­ellen Schäfern zu sammeln. Immerhin: Die Schäferei ist auch ein Meisterber­uf, da gibt es viel zu lernen. Sie absolviert­e über zwei Jahre Praktika in drei Schäfereie­n und schaffte sich eigene Tiere an. „Vieles ist Erfahrungs­sache.“Schäfer müssen zum Beispiel sehen, ob eines krank ist.

Derart gerüstet, baute Inka Herzbach sich eine kleine Herde von 40 Mutterscha­fen zusammen – aber die wenigstens von ihnen sehen so aus, wie man sich landläufig Schafe vorstellt: helles, wolliges Fell, rundlicher Körper, hornlos. Das sind die Merinoscha­fe, die klassichen Wollschafe. Die meisten ihrer Tiere sind englische Herdwich-Schafe und Heidschnuc­ken – robuste und genügsame Wiederkäue­r, die jeden Grünfläche­n-Bewuchs kurz und klein fressen können. Auf der kleinen Wiese am Bach tat das Not: Da waren Gras und Kräuter im fortschrei­tenden Sommer schon ziemlich hoch gewuchert, bis Inka Herzbach den Auftrag erhielt.

Die Schafe fressen, die Schäferin genießt Natur und Ruhe: Mit diesem Bild vor Augen sprechen Spaziergän­ger sie hin und wieder an, um von der Romantik der Schäferei zu schwärmen. Da habe sie prinzipiel­l gar nichts gegen, meint die junge Frau, aber: „Ob die Leute auch so schwärmen würden, wenn es gerade Nacht wäre, regnen und stürmen würde?“Dann muss sie nämlich auch raus zu ihren Tieren – die zu hüten bei 35 Grad im Schatten ebenso kein reines Vergnügen sei. Es ist auch ein körperlich anstrengen­der Beruf, wenn 50 bis 120 Kilogramm schwere Schafe spätestens zum Scheren umgedreht und festgehalt­en werden müssen.

Vor allem mit ihren Heidschnuc­ken stiftet die Schäferin manchmal Verwirrung. Nicht nur, dass die überwiegen­d schwarz sind, sondern die Mutterscha­fe tragen auch noch Hörner. „Die werden manchmal zu den Ziegen gesteckt“, lacht Inka Herzbach. Nein, wehrt sie ab, leben könnte sie von den 40 Tieren nicht, weshalb sie auch wieder einen Job in ihrer Branche sucht. An der Stelle ist endgültig Schluss mit der Vorstellun­g vom Ponyhof-Dasein ihrer Tiere. Denn sie liefern auch Einkommen. Nicht durch das Fell – dafür gibt es keinen Markt mehr. Aber für das Fleisch, weshalb sie die männlichen Lämmer verkauft – „es sind immer noch Nutztiere“– und sich freut, dass ihr einziges mit der Flasche gezogenes Lamm weiblich ist: die anhänglich­e Gwen. „Die habe ich noch ein paar Jahre.“

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FOTOS: AXEL PRIES Vom Büro auf die Weide: Schäferin Inka Herzbach bei ihren Schafen.
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Viele Heidschnuc­ken und Herdwich-Schafe gehören zur Herde.

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