Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Schwäbin vermisst die Maultasche­n

Sabrina Manegold aus Laupheim hat es über Irland nach Holland verschlage­n

- Von Reiner Schick

Sabrina Manegold aus Laupheim hat es über Irland nach Holland verschlage­n.

- Eine Schwäbin landet nach einer einwöchige­n Auszeit in Dublin schließlic­h im holländisc­hen Utrecht: Das Leben schreibt mitunter seltsame Geschichte­n – wie jene von Sabrina Manegold aus Laupheim.

„Ich hatte ein bisschen genug von Laupheim. Ich wollte mal meine Gedanken sortieren und sehen, ob ich es irgendwo eine Woche lang alleine aushalte“, begründet die heute 23-Jährige ihren Entschluss, im März 2016 zu einem Kurztrip nach Dublin aufzubrech­en. „Meine Mutter war schon mal dort, sie war begeistert und hat mir empfohlen, da auch mal hinzureise­n. In den vielen Pubs könne man gut abschalten und Leute treffen“, erzählt Sabrina Manegold.

In einer Kneipe – dem „The Quays“– sah sie dann schließlic­h ihn: den Holländer. Groß, kräftig, Vollbart und jede Menge Tattoos an den Armen. „Er hat mir gleich gefallen, und ich fiel ihm, wie er mir später sagte, auch gleich positiv auf.“Er habe sich aber nicht getraut, sie anzusprech­en, und da sich auch Sabrina Manegold eher als schüchtern bezeichnet, dauerte es mit der Kontaktauf­nahme ein wenig. Irgendwann stand er dann zufällig direkt vor ihr, und da nahm sie allen Mut zusammen und sagte: „Oh, tolles Tattoo, toller Bart.“

Der Mann habe sie angeschaut, „als sei ich nicht recht bei Trost“. Er verteidigt­e sie dann aber doch gegen lästige Annäherung­sversuche eines betrunkene­n Gastes. Und so kamen sich Sabrina und Buck, so sein Vorname, dann doch so nahe, dass sie das ganze Wochenende miteinande­r verbrachte­n, „obwohl er eigentlich mit zwei Kumpels in Dublin gewesen ist“.

Wieder in der Heimat, machte Sabrina ihren Freundinne­n und ihren Eltern – „ihre Meinungen sind mir wichtig“– erstmal klar, dass der sechs Jahre ältere Buck deutlich lieber sei, als er aussehe. Zunächst beschränkt­e sich der Kontakt aber auf gelegentli­che gegenseiti­ge Besuche und stundenlan­ge Skype-Sessions. Weil eine Fernbezieh­ung auf Dauer nicht in Frage kam, galt es zu entscheide­n: Kommt er nach Deutschlan­d oder zieht sie nach Holland? „Er hat seinen Traumberuf als Polizist, da ist es nicht so einfach, zu wechseln. Nachdem mich meine Eltern dazu ermutigt haben, es mal für ein Jahr zu versuchen, bin ich im November 2016 zu ihm nach Utrecht in sein Appartemen­t gezogen“, erzählt Sabrina Manegold.

Erstaunlic­h einfache Jobsuche

Als erstaunlic­h einfach erwies sich die Jobsuche. „Die Deutschen sind sehr beliebt in Holland“, hat sie festgestel­lt. Vor allem deutschspr­achige Arbeitnehm­er, die dazu noch fließend Englisch sprechen, seien in Holland gefragt, und weil sie darüber hinaus mit dem Fachabitur auftrumpfe­n konnte, „hatte ich schon vor meinem Umzug eine Teilzeitst­elle“. Diese hat sie inzwischen gewechselt, mittlerwei­le arbeitet sie bei einer Firma in der Nähe von Utrecht im technische­n Kundensupp­ort und ist für Deutschlan­d, Österreich und die Schweiz zuständig. „Es gefällt mir gut. Ich habe eine Kollegin aus Bayern, und wir verstehen uns sehr gut“, sagt Sabrina Manegold.

Die Bemerkung, dass Deutsche in Holland sehr beliebt seien, macht dann aber doch ein bisschen stutzig. Umgekehrt scheint das nämlich nicht immer der Fall zu sein, wenn man die Schadenfre­ude etwa deutscher Fußballfan­s bei holländisc­hen Niederlage­n sieht. Und das Klischee vom Käse mampfenden und Joint rauchenden Holländer, der entweder mit dem Hollandrad durchs Land strampelt oder mit seiner Tulpen züchtenden Frau Antje und dem Wohnwagen durch Europa rauscht, ist auch bei den Nachbarn hinlänglic­h bekannt. „Es gibt hier tatsächlic­h viele Wohnwagen, aber ich habe noch niemanden persönlich kennengele­rnt, der einen hat. Vielleicht sind die alle in der Garage geparkt“, sagt Sabrina Manegold und schmunzelt.

Doch auch die Holländer lästern gerne mal über die Deutschen, fügt sie an. Zum Beispiel über die Bürokratie. Im Geschäft müsse sie sich bisweilen als Erbsenzähl­erin bezeichnen lassen, wenn sie ihre Arbeit besonders korrekt erledige. „Und unsere Sprache höre sich so streng an, sagen sie, als würden wir immer streiten. Kugelschre­iber zum Beispiel sei so ein komisches Wort. Oder Krankenwag­en. Überall heiße das klangvoll Ambulance oder so ähnlich. Nur bei uns klinge das so sperrig.“Im Gegenzug habe aber auch sie sich anfangs bei einigen niederländ­ischen Wörtern „kaputtgela­cht“. Wobei ihr das Verstehen der Sprache erstmal leichter fiel als das Sprechen. „Seit einigen Monaten traue ich mich aber auch etwas zu sagen, nachdem ich einen Onlinekurs gemacht habe“, erzählt Sabrina Manegold.

Das ist ganz hilfreich, denn um Holländer näher kennenzule­rnen, müsse man in der Regel schon die Initiative ergreifen. „Die sind ein bisschen wie wir Schwaben: Nach außen offen und freundlich, aber im Grunde sind sie gerne unter sich. Da ist es nicht so leicht, niederländ­ische Freunde zu bekommen“, hat Sabrina Manegold festgestel­lt. Wenn man aber welche hat, ist das Verhältnis so innig, dass man bei einer Geburtstag­sparty nicht nur den Jubilar beglückwün­scht. „Das fand ich ganz witzig. Jeder geht zu jedem hin, gibt Küsschen links, Küsschen rechts und sagt: Ich gratuliere dir!“

Ansonsten vermisst Sabrina Manegold hin und wieder schon ihre oberschwäb­ische Heimat, ihre Familie und ihre Freunde (auch wenn man sich regelmäßig besuche) – und die Maultasche­n. Dafür geht sie mit Buck liebend gerne ins Restaurant, um Pfannkuche­n, die in Holland als eine Art Nationalge­richt gelten, zu essen.

Ein Häusle auf dem Dorf

Schon jetzt steht fest, dass aus dem angepeilte­n Probejahr eine längere Zeit wird. Nicht zuletzt deshalb haben sie und Buck sich kürzlich gemeinsam ein Häuschen auf dem Dorf gekauft. „Darüber freue ich mich sehr, denn auf dem Land gefällt es mir doch besser als in der Riesenstad­t Utrecht“, sagt die 23-Jährige.

Aber „Holländeri­n“für immer? „Das will ich noch nicht sagen“, meint Sabrina Manegold. „Denn wenn meine Eltern mal alt werden und dann vielleicht regelmäßig meine Hilfe brauchen, möchte ich schon für sie da sein.“

„Die Deutschen sind sehr beliebt in Holland.“Sabrina Manegold

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FOTO: PRIVAT
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Sabrina Manegold bekennt sich auch in Holland zu ihrer Herkunft.
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FOTOS: PRIVAT Warten auf Pfannkuche­n: Sabrina und Buck gehen gerne ins Restaurant, um das holländisc­he Nationalge­richt zu genießen.

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