Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Bitte, schmeißt nichts weg“

Jürgen Hohl will religiöse Kulturgüte­r retten – Viele Schätze wandern in den Müll

- Von Margret Welsch

- Die alte Tante stirbt. Der Haushalt muss aufgelöst werden. Die Zeit drängt, und die Hinterblie­benen sind meist nicht zimperlich beim Wegwerfen. Alles landet im Container. Und Jürgen Hohl, dem Leiter des Weingarten­er Klostermus­eums, blutet das Herz. Weil wahrschein­lich wieder religiöses Kulturgut wie Heiligenfi­guren, Kreuze, Wandschmuc­k, Gesangbuch­bilder und Erbauungsl­iteratur auf Nimmerwied­ersehen im Müllschluc­ker verschwund­en sind. „Bringt die Sachen ins Klostermus­eum nach Weingarten“, so sein Appell an die Erben, die mit derlei Devotional­ien nichts mehr anfangen können.

Verzückt schaut Jürgen Hohl auf seine neuesten Errungensc­haften im Klostermus­eum. Es sind drei Hinterglas­bilder aus der Oberammerg­auer Schule vom Ende des 18. Jahrhunder­ts: Die Heilige Anna, Joseph mit dem Jesuskind und das Heilige Herz Mariens. Was für viele als Kitsch durchgehen würde, ist dem Brauchtums­spezialist­en heilig. „Diese Objekte sind Teil unserer religiösen Identität, hier im Süden des Landes geschaffen.“

Und sie sind das traurige Überbleibs­el eines Erbes, das vor Kurzem den Weg alles Irdischen genommen hat. Diese drei Bilder, deren florale Rahmenbema­lung, laut Hohl, die Provenienz­forschung einfach macht und sie Oberammerg­auer Malern des 18. Jahrhunder­ts zuschreibt, konnte eine Frau gerade noch vor dem Container retten.

Religiöse Schätze weggeworfe­n

Zusammen mit ihren beiden Schwestern hat sie den Nachlass ihrer hochbetagt­en und nun am Bodensee verstorben­en Tante geerbt. Ein ganzes Haus musste ausgeräumt werden. Überforder­t von der Fülle der Devotional­ien, die der Tante wohl wichtig waren, wurde großzügig entsorgt, bis besagter Frau Jürgen Hohl einfiel. Das wäre ja eine Adresse gewesen. Doch da war es schon zu spät. Da waren sie schon abtranspor­tiert, die Kreuze und Heiligenfi­guren, Sterbebild­le und diverse andere religiöse Schätze.

Bis auf die drei Hinterglas­bilder. Dazu ein altes Buch von 1750, das nicht nur im Schrank stand, sondern mit Inbrunst gelesen worden sein musste, wie Gebrauchss­puren zeigen. Es ist „Das himmlische Palmengärt­lein“, Erbauungsl­iteratur mit Gebeten für alle Lebenslage­n.

Froh über die geretteten und nun dem Klostermus­eum überlassen­en Teile, dreht sich Jürgen Hohl doch der Magen um ob solcher Missachtun­g religiöser Gegenständ­e, die im Zweifelsfa­ll im Abfall landen. Auch wenn viele Menschen heute nichts mehr damit anfangen könnten, sei es doch Teil unseres religiösen Erbes, dazu nicht selten Kulturschä­tze.

Auf die Enge in seinem Klostermus­eum in der Heinrich-Schatz-Straße angesproch­en, das ja jetzt schon aus allen Nähten platzt, meint der passionier­te Sammler: „Wenn man etwas bekommt, findet man immer ein Plätzchen!“Und Hohl appelliert an seine Mitmensche­n: „Bitte, schmeißt nichts weg! Bitte, bringt die Sachen zu mir ins Klostermus­eum!“

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FOTO: MARGRET WELSCH Jürgen Hohl freut sich über drei Hinterglas­bilder, die aus einem größeren religiösen Erbe gerettet werden konnten.

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