Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Keine Ruhe nach dem Sturm beim Obstwiesenfestival
Gewitter und Starkregen am Freitag, matschiger Boden und eine große Bühne, die zeitweise nicht bespielbar ist – Fans feiern dennoch
DORNSTADT - Dunkle Wolken nähern sich dem Festivalgelände. Eine Durchsage wiederholt mehrmals, dass die Besucher in ihren Autos Schutz suchen sollen. Ein Unwetter zieht über die Region. Menschenmassen bewegen sich Richtung Parkoder Campingplatz. Erste dicke Tropfen fallen vom Himmel. Manche fangen an zu rennen. Ein bisschen Weltuntergangsstimmung, aber von Panik keine Spur. Rund eine Stunde müssen die Besucher des Obstwiesenfestivals (OWF) in Dornstadt am Freitagabend ausharren – dann werden sie nicht nur mit einem leuchtenden Regenbogen belohnt.
Das Festival nimmt trotz der anfänglichen Unterbrechung seinen Lauf. Mit abgeänderten Zeitplan, doch unverändert guter Laune bei den Gästen. Nach dem Unwetter ergeben sich aber logistische Herausforderungen für die Veranstalter: „Wir wussten lange Zeit nicht, ob die große Bühne überhaupt noch bespielbar ist“, wird Co-Organisator Clemens Wieser am nächsten Tag erklären. Zumindest für Freitag muss sie leer bleiben. Doch die Organisatoren sind unwettererprobt. Zusätzlich zur Bühne im Zelt wird der Merchandise-Stand der zweite Schauplatz. In dessen Enge entwickelt sich eine ganz eigene Atmosphäre: familiär und behaglich.
„Solche Festivals wie das Obstwiesen, das sind die größten“, sagt Thomas Petritsch, Sänger der österreichischen Band Granada. Mit Zigarette in der einen und Mikro in der anderen Hand intoniert er Hits wie „Ottakring“. Und das Publikum singt mit. Als Petritsch zum Schluss die Besucher bittet, sich auf dem Zeltboden hinzusetzen, da sind längst alle dem Charme des steirischen Dialekts erlegen.
Wie der Anführer einer Teufelssekte
Mehr Show und härteren Sound können OWF-Besucher danach im großen Zelt mitverfolgen. Der ehemalige Frontmann von „The Soundtrack Of Our Lives“, Ebbot Lundberg, tritt – gemeinsam mit The Indigo Children – auf. Das Aussehen der Band erinnert an Kiss: Das Gesicht weiß bemalt, die Klamotten komplett in Schwarz. Lundberg trägt dazu ein rotes Tuch um den Hals. Wie der Anführer einer Teufelssekte steht der schwedische Sänger vor seinem Publikum. Doch statt Predigt gibt es eine Cover-Version von Nine Inch Nails’ bezihungsweise Johnny Cashs „Hurt“. Die Ergriffenheit des Publikums weicht spätestens, als der Headliner des Abends, die beiden schwedischen Rocker von Johnossi, die Bühne betritt. Gemäß deren Hit „Man Must Dance“springt und tanzt ein Großteil des Publikums. Der Matsch an den Gummistiefel, die feuchten Klamotten, sind längst vergessen.
Kälter, aber dafür sonniger geht es am Samstag weiter. Die Anzahl der Gäste auf dem Festivalgelände hat sich merklich erhöht. Von etwa 3000 Besucher am Freitag auf rund 8000 – eine anständiger OWF-Wert. Die große Bühne ist wieder bespielbar und das Merchandise-Zelt wieder ein Merchandise-Zelt und keine zweite Stage mehr. Was bei manchen Gästen Wehmut auslöst. „Irgendwie war das Festival am ersten Tag intimer. So als ob das Unwetter die Besucher mehr verbunden hat“, sagt Corinna Schilling. Die 27-Jährige ist zum ersten Mal auf der Obstwies.
Seine Dornstadt-Premiere feiert an diesem Abend auch das US-amerikanische Golden Dawn Orchestra. Ist das ein Konzert, Varieté oder eine Séance? Man weiß es nicht genau. Ihre Musik ist kaum einordbar. Jazzige Blasmusik mit funkigen Elementen, aber auch Rock und Afrobeat gehören in ihr Repertoire. „You are all made out of glitter“(„Ihr seid alle aus Glitzer“) ruft der Anführer in Richtung Zuhörer. Die fühlen sich angekommen – im Zeitalter des Wassermanns.
Zum Schluss in knappen Badeanzug
Nicht weniger energetisch ging es bei Skip & Die zu. Sängerin und Frontfrau Catarina Aimée Dahms sorgt mit ihrem afrikanischen Tanz – gemischt mit elektronischer Musik und ganz viel Bass – für Temperaturen im Zelt, die ähnlich hoch waren wie in einem sommerlichen Kapstadt. Das merkt man auch an der Kleidung der Sängerin. Stück für Stück landen der Kimono, das Kleid und ein Tuch auf dem Bühnenboden. Bis die Südafrikanerin zum Schluss in knappen Badeanzug über die Bühne zuckt und zappelt. Ruhiger, aber nicht weniger kraftvoll ist dann der Auftritt der Hamburger Band Hundreds – die Headliner am Samstagabend. Sphärische Klänge schwingen über das Festivalgelände. Eva Milners ausdrucksvolle Stimme erreichte selbst die letzten Reihen des Publikums.