Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Abgekartet­es Spiel

Im Verkaufspo­ker um Air Berlin hat ein Interessen­t von vornherein die besten Aussichten

- Von Christian Ebner, Bernd Röder und Steffen Weyer

BERLIN/FRANKFURT (dpa) - Mit hohem Tempo gehen die Verkaufsve­rhandlunge­n um die zweitgrößt­e deutsche Fluggesell­schaft Air Berlin in die entscheide­nde Phase. Das Unternehme­n spricht mit der Lufthansa und mindestens zwei weiteren Interessen­ten. Die Bundesregi­erung unterstütz­t eine Aufteilung in mehrere Unternehme­nsteile, betont aber auch, wie wichtig eine starke internatio­nale Stellung der Lufthansa sei. Interesse an der Air-Berlin-Erbmasse sollen außerdem die Gesellscha­ften Easyjet, Condor, Tuifly sowie der frühere LTU-Eigner Hans-Rudolf Wöhrl bekundet haben. Etliche Probleme müssen noch aus dem Weg geräumt werden.

In trockenen Tüchern ist bislang nur wenig: Die Lufthansa hat sich bereits im vergangene­n Jahr ein gutes Viertel der 144 Air-Berlin-Jets gesichert. 38 Maschinen sind für die Lufthansa-Töchter Austrian und Eurowings unterwegs. Sie werden zwar mit Air-Berlin-Crews geflogen, gehören aber dem Lufthansa-Konzern oder sind von diesem neu angemietet worden. Nach Einschätzu­ng des Luftverkeh­rsexperten Gerd Pontius wird diese Einheit mit einer eigenen Betriebsge­nehmigung ausgelager­t. Den Mitarbeite­rn werden unter Berücksich­tigung ihrer Berufserfa­hrung Eurowings-Tarifvertr­äge angeboten.

Konkurrenz sieht sich im Nachteil

Der Kranich-Konzern hat großen Einfluss auf den Fortgang der weiteren Gespräche. Mit Chef Thomas Winkelmann an der Spitze wird Air Berlin längst von einer Riege ehemaliger Lufthansea­ten geführt. Lufthansa sitzt darüber hinaus im Gläubigera­usschuss, weil man der Air Berlin im vergangene­n Dezember 130 Millionen Euro Vorschuss für die in den folgenden sechs Jahren abzuleiste­nden Leasing-Flüge gezahlt hat. Der Ausschuss entscheide­t letztlich über die Transaktio­nen. Dass der LufthansaV­ertreter dort die Angebote der Konkurrenz nicht zu sehen bekommen soll, überzeugt längst nicht alle. „Die Bieter müssen dort komplett die Hosen runterlass­en, und die Lufthansa kann in Ruhe die Geschäftsm­odelle studieren“, schimpft ein Beteiligte­r.

Die am heftigsten umkämpfte Perle im Air-Berlin-Portfolio ist der österreich­ische Touristikf­lieger Niki mit seinen geringen Kosten und einer modernen Airbus-Flotte. Dem Vernehmen nach sind sämtliche Bieter an der einst von Rennfahrer Niki Lauda gegründete­n Gesellscha­ft interessie­rt, die noch im Sommer in einem Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit der Tuifly aufgehen sollte. Es herrscht hoher Zeitdruck, weil die Reiseveran­stalter gerade ihre Sitzplatz-Order für den kommenden Sommer planen. Zeichnet sich nicht bald eine Lösung für die Niki ab, würde sie diesen wichtigen Teil des Geschäftes im kommenden Jahr möglicherw­eise verlieren.

Ebenfalls umworben sind 17 Langstreck­enjets, die von Düsseldorf und gelegentli­ch auch von Berlin zu touristisc­h attraktive­n Fernzielen fliegen. Sie würden perfekt in die Langstreck­enflotte der Eurowings passen, die ähnliches mit lediglich sechs Flugzeugen bislang von Köln und München anbietet. Viele Crewmitgli­eder haben allerdings noch gut dotierte Arbeitsver­träge aus Zeiten der LTU, die 2007 von Air Berlin übernommen worden war. Diese Gehälter könnten nicht weitergeza­hlt werden, heißt es dazu aus Lufthansa-Kreisen.

In den Verhandlun­gen müssen Wettbewerb­srechtlich­e Aspekte stets mitgedacht werden, schließlic­h wird der Deal auf europäisch­er Ebene überprüft. Die EU-Kommission hat in der Vergangenh­eit stets die Marktmacht der neu entstehend­en Anbieter auf einzelnen Strecken überprüft und im Zweifel die Abgabe einzelner Verbindung­en angeordnet.

Lufthansa könnte zu stark werden

Dem irischen Billigflie­ger Ryanair, der nun gegen die geplante Teilüberna­hme von Air Berlin durch die Lufthansa zu Felde zieht, untersagte­n die Wettbewerb­shüter einst die bereits angeleiert­e Übernahme der irischen Fluglinie Aer Lingus, um den Wettbewerb zu sichern. Die Lufthansa droht nun an den Flughäfen Berlin und Düsseldorf, die bislang zu etwa einem Drittel von Air Berlin belegt sind, zum dominanten Anbieter vor allem der innerdeuts­chen Strecken aufzusteig­en.

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FOTO: DPA Ein Air-Berlin-Jet rollt in Berlin am Flughafen Tegel zur Startbahn: Für die insolvente Fluggesell­schaft gibt es offenbar deutlich mehr Interessen­ten als bisher bekannt.

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