Schwäbische Zeitung (Laupheim)

23-Jähriger hält Taxifahrer Pistole an den Hals

Dass der Angeklagte mit einer Bewährungs­strafe davon kommt, hat er vor allem seinem Opfer zu verdanken

- Von Ariane Attrodt

MEMMINGEN/NEU-ULM - Es ist wohl der Albtraum eines jeden Taxifahrer­s: ein Raubüberfa­ll. Für einen 62-Jährigen wurde es bittere Realität – und nicht nur das: Der 23-jährige Täter hielt ihm zudem eine Schrecksch­usswaffe, eine sogenannte Federdruck­pistole, an den Hals. Dafür musste sich der junge Mann, der bei dem Überfall am Ende gar keine Beute gemacht hatte, nun vor der Großen Strafkamme­r das Landgerich­ts Memmingen verantwort­en – und kam vor allem dank seines Opfers mit einer zweijährig­en Bewährungs­strafe davon.

Die Idee, einen Taxifahrer zu überfallen, sei dem 23-Jährigen aus Neu-Ulm an jenem Tag im April dieses Jahres, ganz plötzlich gekommen, erzählte er vor Gericht. Vorher habe er Wodka getrunken. Er habe mit dem Geld Schulden in Höhe von 2000 Euro verringern wollen. Deshalb holte er sich aus dem Waffenschr­ank seines Bruders – er habe das Versteck für den Schlüssel gekannt – die Federdruck­pistole. Er habe gewusst, dass sie nicht geladen war, nahm auch keine Munition mit. „Das war ja gar nicht mein Ziel“, sagte er. Auch Wechselkle­idung packte er in seinen Rucksack. Dann machte er sich gegen 20 Uhr auf den Weg zum Ulmer Hauptbahnh­of.

Täter gibt sich als Syrer aus

Dort stieg er gegen 21.30 Uhr in ein Taxi, setzte sich auf den Platz hinter dem Beifahrer. Während der Fahrt Richtung Neu-Ulm unterhielt er sich mit dem Fahrer, gab sich im Gespräch mit dem 62-jährigen Pakistani als Syrer aus, der vor zwei Jahren nach Deutschlan­d geflüchtet ist. „Ich habe zu ihm gesagt, dass er dafür sehr gut Deutsch spricht“, sagte der Taxifahrer vor Gericht. Eine böse Vorahnung, was auf ihn zukommt, habe er nicht gehabt.

In der Leibnitzst­raße in NeuUlm, mitten im Industrieg­ebiet, ließ der Angeklagte den Fahrer anhalten. Als dieser das Licht anschaltet­e, zückte der 23-Jährige die Waffe und hielt sie dem Taxifahrer an den Hals. Der 62-Jährige griff nach dem Lauf der Druckpisto­le und drückte ihn nach unten. Der junge Mann zog die Waffe zudem zurück. Dann stieg der Fahrer aus und schrie um Hilfe. Sein Handy und seinen Geldbeutel ließ er im Auto liegen. Auch der Angeklagte flüchtete. Hinter einem geparkten Lastwagen zog er sich um, blieb aber in der Nähe des Tatorts. Eine Stunde später, auf der Suche nach seiner Zigaretten­schachtel, wurde der 23-Jährige von der Polizei kontrollie­rt und festgenomm­en. Seitdem sitzt er in Untersuchu­ngshaft.

Der Fall sei „kurios“, sagte Verteidige­r Alexander Kühne. „Er hätte am Ende nur noch zugreifen müssen, das hat er aber nicht getan.“Zudem habe es eine „besondere Befriedung“zwischen Täter und Opfer gegeben – bereits vor der Verhandlun­g war ein Ausgleich verhandelt worden: Der Taxifahrer hatte neben einer Entschuldi­gung 1200 Euro vom Angeklagte­n erhalten. Vor Gericht betonte der 62-Jährige, dass er dem jungen Mann verziehen habe, und umarmte ihn herzlich.

Opfer vergibt Täter

Diese Vergebung war einer der Gründe für das Urteil, dass die Große Strafkamme­r unter Vorsitz von Richter Jürgen Hasler fällte: eine zweijährig­e Bewährungs­strafe. Damit blieb das Gericht hinter der von Staatsanwä­ltin Saskia Reuter geforderte­n Strafe von zwei Jahren und zehn Monaten zurück.

Hasler sagte, es habe viele mildernde Umstände gegeben. Unter anderem das Alter des Angeklagte­n: Wäre er nur ein paar Monate jünger gewesen, wäre er wohl nach Jugendstra­frecht verurteilt worden. Doch vor allem das Verhalten des Taxifahrer­s sei ausschlagg­ebend gewesen: „Das war sehr eindrucksv­oll. Da haben Sie sehr viel Glück gehabt“, sagte Hasler. Das Urteil ist rechtskräf­tig.

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FOTO: DPA Der Angeklagte kam mit einer Bewährungs­strafe davon.

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