Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Sein größter Tag als Sportler
Triathlon: Am 2. September 2007 wurde Daniel Unger Weltmeister auf der Kurzdistanz
BAD SAULGAU/ULM - Es ist auf den Tag genau zehn Jahre her: Am 2. September 2007 gewann Daniel Unger, damals 29 Jahre alt, den WM-Titel der Triathleten auf der olympischen Kurzdistanz. Auf der Zielgeraden vor dem Rathaus in Hamburg hatte er den Spanier Javier Gomez distanziert. Bis heute ist der aus Mengen stammende Unger der einzige deutsche Weltmeister auf der olympischen Distanz.
„Wahnsinn, wie die Zeit vergeht.“Daniel Unger kommen die vergangenen zehn Jahre gar nicht so lang vor – obwohl seit September 2007 viel passiert ist in seinem Leben. „Permanent“sei die Erinnerung an den wohl größten Tag seiner Karriere, verrät „Ungerman“, wie er damals in TriathlonKreisen genannt wurde. Wohl auch wegen seiner Fähigkeiten, zum richtigen Zeitpunkt alles aus sich herauszuholen. „Immer noch begegnet mir das, auch nach zehn Jahren. Immer wieder werde ich darauf angesprochen. Auch dann, wenn Leute in den Laden kommen oder in meiner Tätigkeit für die Sportfreund Academy mit mir zu tun haben. Wobei: Manche wissen gar nicht, dass ich Weltmeister war. Sie reagieren dann total überrascht.“
Für Unger selbst, der nächstes Jahr 40 wird, ist das WM-Rennen 2007 noch sehr präsent. „An jeden Meter“der Laufstrecke erinnere er sich, an die jubelnden Massen entlang der Strecke in Hamburg. Zehn Starter gingen gleichzeitig auf die abschließende Laufstrecke, darunter Favorit Javier Gomez, Brad Kahlefeldt, Simon Whitfield, Jan Frodeno. Und eben Daniel Unger. Schnell verkleinerte sich die Gruppe, ehe Gomez in der letzten Runde und nach neun Kilometern versuchte, auch Unger loszuwerden, doch der ließ sich nicht abschütteln – im Gegenteil. „Javier hat sich eingangs umgeblickt. Da wusste ich: Es geht was“, so Unger. Immer wieder sah Gomez über die Schulter – bis Unger am Spanier vorbeizog. Im Ziel, nach insgesamt 1:43:18 Stunden, riss er die Arme nach oben, warf sich auf den Boden, als Gomez vier Sekunden später ins Ziel kam, sich über ihn beugte und beglückwünschte.
Nach dem Titel folgte für den Weltmeister der Triathlon-Kurzstrecke ein Langstreckenwettbewerb: durch Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen. „90 Prozent waren positiver Stress. Das hat Spaß gemacht“, erinnert sich Unger an die vielen Termine. „Doch klar ist, dass dabei die Regeneration auf der Strecke bleibt.“Rasch schaltete Unger einen Gang zurück. „Ich hatte bald eine zweite Telefonnummer, die Nummer hatten nur bestimmte Personen, mein direktes Umfeld, Freunde.“
Das Nach-WM-Jahr war nicht immer nach dem Geschmack Ungers. Zwar siegte er in Hamburg erneut, doch Platz sechs bei Olympia war nicht, was er sich erhofft hatte. „Schließlich hatte ich den Sport mal angefangen, um zu Olympischen Spielen zu kommen und dort erfolgreich zu sein.“Doch längst hat Unger seinen Frieden gemacht mit Olympia – mit einer komplizierten Geschichte: 2004 in Athen war er krank und musste verzichten, 2008 wurde er Sechster, während sein Freund und Trainingskollege Jan Frodeno Gold holte, 2012 verpasste er die Qualifikation wegen einer Verletzung. Platz sechs bei Olympia sei ja ein gutes Ergebnis, sagt Unger heute, was ihm aber erst mit einigem Abstand bewusst werde.
Und auch die Sache mit der Langdistanz hat Unger abgehakt. „Es war einfach nicht meins“, sagt der 39-Jährige. Triathlon habe er vor allem betrieben, weil es ihm Spaß machte. Auf der Langdistanz blieb das auf der Strecke: noch mehr Training, größere Umfänge, viel Langeweile. „Als Sportler führt man ein recht asoziales Leben. Schlafen, essen, trainieren.“Das habe sich bei der Langdistanz noch vergrößert. Unger sagt aber auch: „Vielleicht hätte ich früher wechseln müssen, 2008 oder 2010. Aber ich wollte mal nach London, weil die Atmosphäre dort nur mit der in Hamburg vergleichbar ist.“So kam es, dass das Langdistanzrennen 2013 in Frankfurt sein Abschied von der großen Bühne war. „Eigentlich wollte ich 2014 als Profi weitermachen“, so Unger. Auch deshalb habe er nie offiziell seinen Rücktritt erklärt, zu keinem Abschiedsrennen eingeladen. „Nächstes Jahr werde ich 40. Vielleicht gönne ich mir da den Luxus, etwas zu machen.“
Heute steht der Sport nur noch an zweiter oder dritter Stelle in seinem Leben. „Ich habe natürlich abtrainiert, aber derzeit treibe ich nur ein- oder zweimal pro Woche selbst Sport. Das will ich nächstes Jahr wieder steigern.“Wichtiger sind ihm die Familie, seine drei Kinder, und der Beruf. Seinen Lebensmittelpunkt hat er privat in Neu-Ulm und geschäftlich Ulm, wo er mit Geschäftspartner Michael Weiß den Sportfreund-Shop und zum anderen die Sportfreund-Academy betreibt. Unger bietet Sportartikel an, gibt Workshops, berät und trainiert Anfänger und Wiedereinsteiger, aber auch Leistungssportler. „Und es wird immer mehr“, sagt Unger. Er freut sich auf das, was kommt. Der Blick geht nur selten zurück zum September 2007. Und wenn, dann entspannt.