Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Bis nächstes Jahr in Jerusalem“
Rund hundert Besucher kommen zur Kunstausstellung von Marlis Glaser nach Attenweiler
- Der Europäische Tag der jüdischen Kultur stand dieses Jahr unter dem Motto „Diaspora“. Marlis Glaser hat in ihren Ausstellungsräumen in Attenweiler befreundeten Künstlern, Musikanten und Vortragenden Raum gegeben, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Die Resonanz belohnt den Aufwand der Vorbereitungen: Mehr als hundert Besucher aus Deutschland, der Schweiz und Israel haben am Sonntagnachmittag den Gedanken des Rabbiners Tovia Ben-Chorin und den Sehnsuchtsliedern von Chaim Kapuja gelauscht und sich mit den Künstlern über die ausgestellten Werke unterhalten.
Israel und Diaspora, das eine sei ohne das andere nicht zu denken, so Wolfgang Reiser vom Evangelischen Bildungswerk Oberschwaben. „Diaspora ist unser gemeinsames Thema als Juden und Christen. Das sind Erfahrungen, die wir miteinander teilen, wenn auch auf unterschiedlicher Ebene. Evangelische in Oberschwaben müssen auch heute noch um Gleichwertigkeit und Anerkennung kämpfen.“Diaspora stehe für Ausgrenzung, Gefahr, Rückzug oder unkritische Anpassung an die Mehrheit, aber auch für Auseinandersetzung mit den Anderen, Stärkung der eigenen Überzeugungen und Zivilcourage. Reiser ist überzeugt, dass das Judentum ohne die Diaspora nicht das wäre, was es heute ist. Anfeindungen und Selbstfindung Ein Gedanke, den auch Tovia BenChorin, Rabbiner aus St. Gallen aufgreift. Dabei betonte er jedoch den Unterschied zwischen Exil und Diaspora: Diaspora bedeute, die Wahl zu haben, wie ich mein Leben lebe, Exil hingegen, irgendwo zu leben, ohne die Wahl, ins Land Israel zurückzukehren. Die Dezentralisierung des Judentums habe jedoch zu einer Stärkung geführt.
Die jüdische Zivilisation, die sich in der Diaspora entwickelt habe, werde eines Tages nach Jerusalem zurückkehren und das Judentum noch mehr bereichern, als wenn sie die ganze Zeit dort geblieben wäre. Somit habe die Diaspora auch etwas Positives, das das Judentum und die Welt bereichere.
Ein Beispiel für das Leben in der Diaspora gibt Judith Temime. Die Jüdin ist in den USA geboren und 1974 nach Israel emigriert. Tamime erzählt in Attenweiler von ihrer Kindheit in Amerika, die glücklich gewesen sei. Doch sie sei dort auch ange- feindet worden und habe sich lange gefragt, wer sie wirklich sei. Ihre Emigration nach Israel habe dafür gesorgt, dass ihre vier Kinder das nie erlebt haben, nie verflucht, beworfen oder beschimpft wurden.
Sehnsuchtslieder spielte Chaim Kapuja und setzte damit die Begrüßungsworte von Edeltraud Wiedmann von der katholischen Erwachsenenbildung in klangliche Bilder um. Für Wiedmann ist Diaspora Fremde und die Sehnsucht nach Heimat und Ankommen. Ein Gruß, der diese Sehnsucht für sie zum Ausdruck bringe, sei: „Bis nächstes Jahr in Jerusalem.“Marlis Glaser habe für sich und ihre Familie schon lange in Attenweiler eine Heimat gefunden und gebe in ihren Räumen auch anderen Künstlern Heimat.
Marlis Glaser selbst zeigte eine Porträtserie von Juden in der Diaspora mit einer Farbigkeit, die den Betrachter aufgrund des Themas überraschen könnte. Auch ihre beiden Söhne Joshua Glaser und Samuel Fischer-Glaser präsentierten ihre Werke, die sie speziell für diese Ausstellung geschaffen haben. Die Schweizer Künstlerin Frieda Martha zeigte Papierarbeiten in starken Farben auf Goldenem Grund mit dem Titel „Vernetzt“. Werke der beiden Jerusalemer Künstlerinnen Chana Cromer und Ruth Schreiber ergänzen die Ausstellung.