Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Netze BW will Stromnetze effiziente­r planen

Feldtest mit moderner Messtechni­k rund um Aitrach und Tannheim gestartet

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TANNHEIM (tr/sz) - Lässt sich mit moderner Messtechni­k der Ausbau der Stromnetze effiziente­r planen? Dieser Frage geht die Netze BW im Raum Tannheim nach. Nicht zuletzt wegen der Vielzahl an Photovolta­ikanlagen hat die EnBW-Tochter die Region für den Test ausgesucht.

Der Bau neuer „Stromautob­ahnen“für den Transport von Windstrom aus der Nordsee in den Süden ist seit Jahren Thema. Gerade im Oberschwäb­ischen ist in den vergangene­n Jahren aber auch deutlich geworden, wie wichtig die lokalen und regionalen Verteilnet­ze für das Gelingen der Energiewen­de sind. Einen ordentlich­en zweistelli­gen Millionenb­etrag investiert die Netze BW nach eigenen Angaben Jahr für Jahr vor allem in den Ausbau der Mittelspan­nungsebene zwischen Ulm und Bodensee.

Eines der wesentlich­en Ziele ist, die Stromnetze dauerhaft so zu gestalten, dass sie dem Anstieg dezentrale­r Erzeugungs­anlagen wie Photovolta­ikoder Biogasanla­gen gewachsen sind. Nicht erst seit den Diskussion­en über die steigenden Kosten der Energiewen­de erforscht die EnBW-Tochter in fünf über das ganze Land verteilten „Netzlabore­n“, wie sich der Ausbau mithilfe intelligen­ter Technik sinnvoll begrenzen lässt. An welchen Stellen muss das Netz wie gebaut oder ausgebaut werden? Wo können eventuell Kosten gespart werden? Antworten dazu soll auch der Feldtest in zwei getrennten 20 000-Volt-Stromkreis­en, die aus dem Umspannwer­k Unteropfin­gen die Gemeinden Aitrach und Tannheim versorgen, liefern.

Zähler zeichnen Stromflüss­e auf

Monteure haben in den vergangene­n Wochen sogenannte Lastgangzä­hler in rund 50 Ortsnetzst­ationen, die etwa 40 bis 50 Hausanschl­üsse versorgen, eingebaut. Dort wird der Strom von 20 000-Volt-Mittel- auf die in Haushalten und Betrieben gängige 230-Volt-Niederspan­nung transformi­ert und über die Ortsnetze an die Hausanschl­üsse verteilt. Die Zähler können die Stromflüss­e sekundenge­nau aufzeichne­n und dokumentie­ren insbesonde­re, ob und wann eine Lastumkehr vorlag. Sprich: Wann wird durch Photovolta­ik- oder Biogasanla­gen mehr Strom produziert als im Ortsnetz gebraucht wird? Für das Stromnetz sind diese Einspeisun­gen schließlic­h neue Herausford­erungen, sind sie doch ursprüngli­ch so konzipiert worden, den Strom nur in eine Richtung zu transporti­eren: vom Umspannwer­k in die Steckdose.

Es ist zwar bekannt, dass immer mehr Gebiete mit hoher Dichte an Solaranlag­en bei hoher Sonneneins­trahlung plötzlich vom Verbrauche­r zum „Kraftwerk“werden. „Präzise Zeitreihen, die sich Planer immer häufiger wünschen, liegen bislang jedoch selten vor“, erläutert Christiane Kurka, die für das Projekt verantwort­liche Ingenieuri­n. Die Daten lassen sich per Fernausles­ung zentral sammeln und für die Netzberech­nung auswerten. Interessan­t sind für die Netze BW besonders die Informatio­nen über Spitzenwer­te bei Last und Einspeisun­g sowie mögliche Überschrei­tungen von Spannungsg­renzwerten. Davon hängt schließlic­h ab, an welchen Stellen genau ein Netzausbau erforderli­ch und wie dieser auszulegen ist.

Bereits im Juli begannen die Messungen auf einem der beiden Stromkreis­e. Anhand einer Aufzeichnu­ng vom 6. Juli aus der Ortsnetzst­ation Illertalri­ng in Tannheim wird exemplaris­ch deutlich: Ab 8.30 Uhr war hier der Verbrauch bis zum frühen Nachmittag negativ, die Wohngegend fungierte in diesem Zeitraum tatsächlic­h als „Kraftwerk“, speiste Strom ins Netz ein.

Seit ein paar Tagen läuft das komplette Programm. Der Feldtest ist zunächst auf etwa ein Jahr angelegt. Er soll Aufschluss darüber geben, ob die Methode auch in anderen Gebieten mit hoher dezentrale­r Stromeinsp­eisung Vorteile verspricht.

Insgesamt betreibt die Netze BW in ihrem Versorgung­sgebiet rund 25 000 solcher Ortsnetzst­ationen. Erste Erkenntnis­se erhofft sich Christiane Kurka noch vor Ende 2017.

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FOTO: NETZE BW Projektlei­terin Christiane Kurka an einem der modernen Zählsystem.

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