Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Fahrradproblem am Ulmer Bahnhof
Dass auch das Areal des Busbahnhofs bebaut werden soll, kritisiert die IHK Ulm deutlich
ULM - Ein bis zu sechsstöckiger Neubau südlich des Bahnhofstegs könnte einerseits als Fahrradparkhaus dienen. Andererseits böte sich dadurch die Chance, vor dem Hauptbahnhof eine echte Platzatmosphäre zu schaffen. Denn das Gebäude wäre eine weitere Begrenzung neben dem Bahnhofsgebäude und der Post im Norden. So würde aus der freien Fläche ein Platz, der den Namen verdient. Und ein Teil der vielen Fahrräder wäre auch aufgeräumt. Das sind Überlegungen in der Bauverwaltung, die im Herbst im Gemeinderat diskutiert werden sollen. Entschieden ist also noch nichts. Doch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Ulm ist alarmiert. Sie hält den Neubau auf dem Areal des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) für falsch.
Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde der Bahnhofsplatz im Süden noch vom Russischen Hof, einem historischen Gebäude, abgegrenzt. Einen ähnlichen Abschluss könnte künftig der Neubau bilden, so die Idee der Verwaltung. Dadurch könnte die Aufenthaltsqualität vor dem Bahnhof gesteigert werden. IHK-Hauptgeschäftsführer Otto Sälzle hält das aber für abwegig. „Diese Situation lässt sich heute nicht mehr herstellen“, sagte er. „Das war alles früher viel kleinteiliger. Die FriedrichEbert-Straße war damals ein Sträßle.“Würde der Russische Hof heute noch existieren, stünde das prachtvolle Gebäude mitten in der Straße vor dem Bahnhof, gegenüber vom IC-Hotel. Die Stadt kann daher nicht an historischer Stelle neu bauen, sondern auf einem Teil des Busbahnhof-Areals, also ein gutes Stück weiter südlich. Damit werde aber auch keine Platzatmosphäre geschaffen, sondern nur ein „Stummel“, findet Sälzle.
Stattdessen befürchtet er Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern, die den Bahnhofsvorplatz queren müssten, um zu dem zentralen Parkhaus zu gelangen. „Es sollte auch das Thema Sicherheitsempfinden berücksichtigt werden“, nennt Simon Pflüger, Leiter des Bereichs Standortpolitik bei der IHK Ulm, einen weiteren Kritikpunkt. Durch einen massiven Neubau an dieser Stelle werde die Sichtachse zwischen dem Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) und dem Bahnhofsgebäude versperrt. Vor allem nachts würden die Wege dadurch unangenehm für die Fahrgäste. Nicht zuletzt befürchtet die Kammer, dass ein offenes Parkhaus eine unerwünschte Klientel aus der Trinker- und Obdachlosenszene anzieht. Otto Sälzles Fazit: „Wir brauchen eine dezentrale Lösung.“Statt eines großen Parkhauses südlich des Bahnhofsstegs schlägt die Kammer mehrere Standorte vor. Darunter ein kleineres nördlich des Stegs und weitere rund um das Bahnhofs-Gelände herum, etwa bei der Post. Offenbar geht die IHK aber von falschen Voraussetzungen aus. Denn die Stadt plant nicht ein einziges, großes Fahrradparkhaus – sondern drei. „Eine zentrale Parkierung wäre sicher falsch“, sagte Baubürgermeister Tim von Winning auf Anfrage. „Unserer Einschätzung nach, bräuchten wir drei Standorte, um Platz für insgesamt 1000 bis 1500 Fahrräder zu schaffen.“An der Schillerstraße im Dichterviertel baue die Bahn ohnehin ein Parkhaus für Autos. Im Zuge dessen sollen auch Abstellmöglichkeiten für Fahrräder geschaffen werden. Der zweite Standort wäre im Bereich der Post, für alle Radler, die über die Zeitblomstraße aus Richtung Oststadt her kommen. Die IHK schlägt vor, die alte Posthalle – die momentan teilweise vom Theater Ulm genutzt wird, künftig aber leer steht – und den alten Posttunnel für die Fahrradfahrer zu nutzen. „Die Posthalle gehört der Stadt, ist aus meiner Sicht aber zu weit weg“, sagte Tim von Winning. Der Tunnel sei hingegen Eigentum der Bahn. Bisherige Anfragen seien bislang nicht vielversprechend gelaufen. „Aber das kann man weiter verfolgen“, so der Baubürgermeister. Bleibt noch der Neubau auf dem ZOB. Dass der Busbahnhof dann kleiner würde, räumt von Winning ein. Aufgrund der Neuordnung des gesamten Bahnhofsumfelds müsse er aber ohnehin komplett umgestaltet werden. Die IHK Ulm hat dazu ein eigenes Gutachten bei dem Stuttgarter Fachbüro IGV erstellen lassen. Die Ergebnisse der Studie sollen demnächst öffentlich präsentiert werden. Von Winning betonte, dass der angedachte Neubau nur zum Teil der Unterbringung von Fahrrädern dienen solle. „Es sind noch viele weitere Nutzungen möglich“, sagte der Baubürgermeister. Unten seien etwa eine Bäckerei und ein Laden für Reisebedarf denkbar. In den oberen Stockwerken Dienstleistungen und Büros. Voraussichtlich im November wird sich der Gemeinderat mit dem Thema beschäftigen. Bereits am 19. Oktober soll es eine öffentliche Veranstaltung im Stadthaus dazu geben.