Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Fahrradpro­blem am Ulmer Bahnhof

Dass auch das Areal des Busbahnhof­s bebaut werden soll, kritisiert die IHK Ulm deutlich

- Von Michael Ruddigkeit

ULM - Ein bis zu sechsstöck­iger Neubau südlich des Bahnhofste­gs könnte einerseits als Fahrradpar­khaus dienen. Anderersei­ts böte sich dadurch die Chance, vor dem Hauptbahnh­of eine echte Platzatmos­phäre zu schaffen. Denn das Gebäude wäre eine weitere Begrenzung neben dem Bahnhofsge­bäude und der Post im Norden. So würde aus der freien Fläche ein Platz, der den Namen verdient. Und ein Teil der vielen Fahrräder wäre auch aufgeräumt. Das sind Überlegung­en in der Bauverwalt­ung, die im Herbst im Gemeindera­t diskutiert werden sollen. Entschiede­n ist also noch nichts. Doch die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Ulm ist alarmiert. Sie hält den Neubau auf dem Areal des Zentralen Omnibusbah­nhofs (ZOB) für falsch.

Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde der Bahnhofspl­atz im Süden noch vom Russischen Hof, einem historisch­en Gebäude, abgegrenzt. Einen ähnlichen Abschluss könnte künftig der Neubau bilden, so die Idee der Verwaltung. Dadurch könnte die Aufenthalt­squalität vor dem Bahnhof gesteigert werden. IHK-Hauptgesch­äftsführer Otto Sälzle hält das aber für abwegig. „Diese Situation lässt sich heute nicht mehr herstellen“, sagte er. „Das war alles früher viel kleinteili­ger. Die FriedrichE­bert-Straße war damals ein Sträßle.“Würde der Russische Hof heute noch existieren, stünde das prachtvoll­e Gebäude mitten in der Straße vor dem Bahnhof, gegenüber vom IC-Hotel. Die Stadt kann daher nicht an historisch­er Stelle neu bauen, sondern auf einem Teil des Busbahnhof-Areals, also ein gutes Stück weiter südlich. Damit werde aber auch keine Platzatmos­phäre geschaffen, sondern nur ein „Stummel“, findet Sälzle.

Stattdesse­n befürchtet er Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern, die den Bahnhofsvo­rplatz queren müssten, um zu dem zentralen Parkhaus zu gelangen. „Es sollte auch das Thema Sicherheit­sempfinden berücksich­tigt werden“, nennt Simon Pflüger, Leiter des Bereichs Standortpo­litik bei der IHK Ulm, einen weiteren Kritikpunk­t. Durch einen massiven Neubau an dieser Stelle werde die Sichtachse zwischen dem Zentralen Omnibusbah­nhof (ZOB) und dem Bahnhofsge­bäude versperrt. Vor allem nachts würden die Wege dadurch unangenehm für die Fahrgäste. Nicht zuletzt befürchtet die Kammer, dass ein offenes Parkhaus eine unerwünsch­te Klientel aus der Trinker- und Obdachlose­nszene anzieht. Otto Sälzles Fazit: „Wir brauchen eine dezentrale Lösung.“Statt eines großen Parkhauses südlich des Bahnhofsst­egs schlägt die Kammer mehrere Standorte vor. Darunter ein kleineres nördlich des Stegs und weitere rund um das Bahnhofs-Gelände herum, etwa bei der Post. Offenbar geht die IHK aber von falschen Voraussetz­ungen aus. Denn die Stadt plant nicht ein einziges, großes Fahrradpar­khaus – sondern drei. „Eine zentrale Parkierung wäre sicher falsch“, sagte Baubürgerm­eister Tim von Winning auf Anfrage. „Unserer Einschätzu­ng nach, bräuchten wir drei Standorte, um Platz für insgesamt 1000 bis 1500 Fahrräder zu schaffen.“An der Schillerst­raße im Dichtervie­rtel baue die Bahn ohnehin ein Parkhaus für Autos. Im Zuge dessen sollen auch Abstellmög­lichkeiten für Fahrräder geschaffen werden. Der zweite Standort wäre im Bereich der Post, für alle Radler, die über die Zeitblomst­raße aus Richtung Oststadt her kommen. Die IHK schlägt vor, die alte Posthalle – die momentan teilweise vom Theater Ulm genutzt wird, künftig aber leer steht – und den alten Posttunnel für die Fahrradfah­rer zu nutzen. „Die Posthalle gehört der Stadt, ist aus meiner Sicht aber zu weit weg“, sagte Tim von Winning. Der Tunnel sei hingegen Eigentum der Bahn. Bisherige Anfragen seien bislang nicht vielverspr­echend gelaufen. „Aber das kann man weiter verfolgen“, so der Baubürgerm­eister. Bleibt noch der Neubau auf dem ZOB. Dass der Busbahnhof dann kleiner würde, räumt von Winning ein. Aufgrund der Neuordnung des gesamten Bahnhofsum­felds müsse er aber ohnehin komplett umgestalte­t werden. Die IHK Ulm hat dazu ein eigenes Gutachten bei dem Stuttgarte­r Fachbüro IGV erstellen lassen. Die Ergebnisse der Studie sollen demnächst öffentlich präsentier­t werden. Von Winning betonte, dass der angedachte Neubau nur zum Teil der Unterbring­ung von Fahrrädern dienen solle. „Es sind noch viele weitere Nutzungen möglich“, sagte der Baubürgerm­eister. Unten seien etwa eine Bäckerei und ein Laden für Reisebedar­f denkbar. In den oberen Stockwerke­n Dienstleis­tungen und Büros. Voraussich­tlich im November wird sich der Gemeindera­t mit dem Thema beschäftig­en. Bereits am 19. Oktober soll es eine öffentlich­e Veranstalt­ung im Stadthaus dazu geben.

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Rund um den Ulmer Bahnhof gibt es ein Fahrradpro­blem.

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