Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Truppenbesuch im Schlepptau der Nato
Deutsch-türkischer Konflikt bleibt ungelöst – Abzug von Konya ist möglich
BERLIN (dpa) - Am Freitag haben Abgeordnete des Bundestags deutsche Soldaten im türkischen Konya besucht. Dem Besuch ging ein langer Streit mit der türkischen Regierung voraus. Deshalb durften die Parlamentarier nicht auf eigene Faust reisen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Konya-Kontroverse.
Warum wollten die sieben Abgeordneten unbedingt nach Konya?
Sie wollten sich ein Bild von dem Stützpunkt machen und mit den Soldaten vor Ort sprechen. Die Bundesregierung und der Bundestag pochen auf das Besuchsrecht für Abgeordnete bei deutschen Soldaten im Ausland, weil die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Das bedeutet, über Einsätze der Streitkräfte entscheidet das Parlament und nicht die Regierung. Die Reise nach Konya sollte schon im Juli stattfinden. Das hatte die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan verhindert.
Wieso stellt sich Erdogan quer?
Wegen der schlechten bilateralen Beziehungen. Das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist nach Nazi-Vergleichen und Verhaftungen deutscher Bürger so miserabel, dass man keine diplomatischen Ausreden mehr sucht. Zuvor hatte die Türkei Parlamentarier-Reisen nach Incirlik durchkreuzt – weil türkische Soldaten, die die Türkei als Putschisten verdächtigt, in Deutschland Asyl erhalten haben. Weil Incirlik unzugänglich blieb, ziehen die dort stationierten „Tornado“-Flugzeuge sowie 260 Soldaten nach Jordanien um.
Wieso durften die Abgeordneten nun doch in die Türkei?
Weil der Besuch unter Nato-Flagge erfolgte. Anders als Incirlik ist Konya ein Nato-Stützpunkt. Von dort aus unterstützt die Nato den Kampf gegen die Terrormiliz IS mit AwacsAufklärungsflugzeugen. Auch wenn dort durchschnittlich nur fünf bis 15 Soldaten stationiert sind, stellt die Bundeswehr in der Regel ein Drittel der Besatzungen. Ohne sie ist eine Fortsetzung des Einsatzes nur schwer möglich. Nach anfänglichem Zögern schaltete sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ein, um zu schlichten. Anfang August gab die Türkei dann grünes Licht für die Reise im Nato-Rahmen.
Was genau ist in Konya passiert?
Die Leitung übernahm die stellvertretende Nato-Generalsekretärin, Rose Gottemoeller. In den drei Stunden auf der Basis führten die Parlamentarier Gespräche mit den deutschen Soldaten vor Ort, und sie wurden über den Stützpunkt geführt. Sie führten auch Gespräche mit türkischen Regierungsvertretern.
Wie verlief diese Begegnung?
Die Stimmung war versöhnlich, berichteten die Abgeordneten. „Man hat uns freundlich und höflich behandelt“, sagte der Grünen-Politiker Tobias Lindner der dpa. „Ich hatte den Eindruck, dass niemand dran gelegen war, diese schwierige Situation noch schwieriger zu machen.“Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Wolfgang Hellmich (SPD), berichtete, die türkischen Regierungsvertreter hätten mitgeteilt, dass sie die „hohe Bedeutung des Besuchsrechts sehr deutlich erkennen“. Allerdings kam der deutsch-türkische Streit nicht wirklich zur Sprache. „Das ganze politische Thema wurde außen vor gelassen“, sagte Linken-Politiker Alexander Neu. Es ging demnach um „rein operative Informationen“.
Dürfen die Abgeordneten künftig wieder auf eigene Faust reisen?
Das ist ungewiss. In den deutsch-türkischen Beziehungen ist keine Besserung in Sicht. Die Abgeordneten zeigten sich am Freitag zufrieden, die Soldaten überhaupt besuchen zu dürfen. Eine Dauerlösung? Für den SPDMann Wolfgang Hellmich sind Reisen unter Nato-Flagge ein „möglicher Weg, um unser Besuchsrecht auch durchsetzen zu können“. Aber nur, wenn es nicht jedes Mal schwierige Verhandlungen gebe. Die Linke kritisiert das Format. Neu sagte, der Bundestag gebe damit seine Organisationskompetenz aus der Hand.
Droht nun noch ein Abzug aus Konya?
Ein Abzug ist nicht vom Tisch. Denn ob das Besuchsrecht in Konya auf Dauer gewährleistet ist, bleibt unklar. Und die Bundesregierung hat klargemacht, dass sie keinen Unterschied zwischen Konya und Incirlik machen will. Aus Sicht des Auswärtigen Amts dürfen auch Reisen im Nato-Schlepptau kein Dauerzustand werden. Mit dem diplomatischen Aufwand sei das „keine dauerhaft tragfähige Lösung“, sagte ein Sprecher am Freitag.