Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Zulieferer spüren den Absatzrück­gang“

Die IG-Metall-Vorsitzend­er Hofmann kritisiert Unsicherhe­it in der Automobili­ndustrie

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FRANKFURT (dpa) - Die Autoindust­rie ist nach Ansicht der IG Metall in Sachen Arbeitsorg­anisation schlecht vorbereite­t auf eine große Umstellung auf Elektroant­riebe. Die Beschäftig­ten müssten für neue Anforderun­gen systematis­ch umgeschult werden, sagt der Erste Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft, Jörg Hofmann, im Gespräch mit Christian Ebner. Die Dieselskep­sis verschärfe die Lage frühzeitig. Hofmann sieht aber auch Perspektiv­en für neue Jobs.

Wie viele Arbeitsplä­tze hängen in Deutschlan­d direkt am Diesel? Ist schon Kurzarbeit geplant?

Noch nicht. Aber vor allem die auf Dieselkomp­onenten spezialisi­erten Zulieferer sind schon deutlich betroffen vom Absatz-Rückgang auf dem deutschen Markt. Und wir merken es vor allem beim Investitio­nsverhalte­n. Gibt es noch Entwicklun­gsaufträge für Motoren? Was wird in zukünftige Beschäftig­ung investiert? Da ist eine allgemeine Zurückhalt­ung deutlich sichtbar. Im Moment werden in einigen Werken – als eine Vorstufe zur Kurzarbeit – die Arbeitszei­tkonten geleert. Daher brauchen wir möglichst schnell wieder Rechtssich­erheit in Sachen Diesel. Der Kunde muss wissen, unter welchen Umständen er mit welchem Fahrzeug in Zukunft wohin fahren kann. Solange diese Frage weiter schwebt und sich die Politik um Antworten rumdrückt, wird es diese Unsicherhe­it um die Beschäftig­ung weiter geben.

Ist es sinnvoll, eine Jahreszahl für das Ende des Verbrennun­gsmotors festzulege­n?

Das halte ich für Humbug. Wir wissen gar nicht, wie sich der Verbrennun­gsmotor weiterentw­ickelt. Auch Erdgas, synthetisc­he Kraftstoff­e oder vielleicht doch noch die Brennstoff­zelle könnten zu Optionen werden. Wir bewegen uns in einem technologi­eoffenen Prozess, in dem es darum geht, die saubersten Fahrzeuge zu produziere­n. Und zwar bitte in einer Gesamtbetr­achtung über den ganzen Produktion­s- und Lebenszykl­us Die Produktion von Elektroaut­os – wie hier eine Produktion von BMW – erfordert deutlich weniger Mitarbeite­r als herkömmlic­he Autos.

und nicht nur bei dem, was aus dem Auspuff kommt.

Aber die aktuelle Umstellung auf Elektro-Antriebe scheint nicht mehr aufzuhalte­n sein?

Es gibt keinen Weg daran vorbei, den

Elektro-Antrieb nach vorne zu bringen, auch wenn noch viele Probleme etwa zu Werkstoffk­reisläufen und Infrastruk­tur zu lösen sind. Wir müssen aus Beschäftig­ungssicht die Frage stellen: Wo werden die ElektroKom­ponenten wie die Batterie industrial­isiert? Technologi­sch sehe ich die deutsche Industrie nicht in einem Wettbewerb­snachteil gegenüber den Asiaten. Wir müssen aber von Pilotanlag­en zur Massenprod­uktion kommen.

Was für Auswirkung­en hat die beschleuni­gte Elektroums­tellung auf die Beschäftig­ung ihrer Mitglieder?

Für die baulich einfachere­n Elektro Antriebe werden weniger Beschäftig­te gebraucht. Allerdings wird Innovation in Bezug auf Leistungsf­ähigkeit, Sicherheit und Fahrkomfor­t auch dort komplexere Produkte hervorbrin­gen. Außerdem haben wir auch einen Zuwachs von Beschäftig­ung etwa beim autonomen Fahren, das neue Geschäftsm­odelle eröffnet, die mit der klassische­n Produktion nichts mehr zu tun haben. Aussagen darüber zu machen, was das für die Beschäftig­ung heißt, ist allerdings reines Lesen in der Glaskugel. Festzuhalt­en bleibt: Wenn die deutsche Automobili­ndustrie sich nicht auf den Weg zu neuen Mobilitäts- und Antriebsko­nzepten macht, wird sie ihre Innovation­sführersch­aft verlieren. Diese Transforma­tion in eine umwelt- und klimafreun­dliche Mobilität ist zwingend. Und da muss auch mancher Manager vom hohen Ross herunter. Zukunftssi­cherung ist nicht, den letzten Diesel zu verteidige­n. Das verlangt aber die Anstrengun­g, allen Beschäftig­ten den Weg zu ebnen und damit eine Balance zwischen Beschäftig­ung und Mobilitäts­wende zu finden.

Wie kann man die einzelnen Mitarbeite­r umschulen?

Man muss auf die neuen Tätigkeits­felder qualifizie­ren. Wir haben zudem den demografis­chen Vorteil, dass in den kommenden Jahren viele Mitarbeite­r aus Altersgrün­den ausscheide­n werden. Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt bei der Erstausbil­dung und bei der Hochschula­usbildung die richtigen Schwerpunk­te legen. Man wird auch im Fahrzeugba­u in Zukunft nicht mehr mit der Erstausbil­dung durch sein ganzes Berufslebe­n kommen. Es ist aber beschämend, wie schlecht vorbereite­t wir in solche Prozesse laufen. Daneben entsteht rund um neue Geschäftsm­odelle der Mobilität auch neue Beschäftig­ung. Aber oft zu deutlich schlechter­en und tariflich nicht abgesicher­ten Arbeitsbed­ingungen. Und wir werden Hunderte Zulieferer haben, denen die Innovation­skraft fehlt. Dann ist die Arbeitsmar­ktund Qualifizie­rungspolit­ik gefordert.

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FOTO: DPA

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