Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Der Schmerz in starken Stimmen“
Biberacher Dokumentarfilmer Stefan Eberlein zeigt sein neues Werk im „Traumpalast“
BIBERACH - „Von Sängern und Mördern“heißt der neue Dokumentarfilm von Stefan Eberlein. Der Film des aus Biberach stammenden Regisseurs feierte bereits großen Erfolg auf dem Artdokfest in Moskau und beim Münchner Dokfilmfest im Internationalen Programm. Jetzt freut sich Eberlein über eine Sondervorführung am Dienstag, 12. September, ab 20 Uhr im Kino „Traumpalast“in Biberach. Der Film handelt vom Gesangswettbewerb „Kalina Krasnaja“(„Roter Holunder“) in russischen Gefängnissen. Durch diesen Wettbewerb bekommen die daran teilnehmenden Insassen eine Chance, der Monotonie ihres Lebens auf Zeit zu entkommen und sich in ihrer Kreativität zu entfalten.
Herr Eberlein, wie haben Sie von diesem außergewöhnlichen Gesangswettbewerb erfahren? Wie und warum fingen Sie an, einen Film darüber zu drehen?
Ich las einen Zeitungsartikel zu „Kalina Krasnaja“und hörte später auch einen Bericht im Radio darüber. Natürlich war ich zuerst erstaunt über einen Gesangswettbewerb, der unter russischen Sträflingen stattfindet. Was mich aber sehr ansprach, war der Schmerz in den starken Stimmen, als ich sie singen hörte. Für mich als Filmemacher war es das perfekte Setting, um das Gefühl in solch einem Gefängnis zu vermitteln. Also habe ich angefangen, mich damit zu beschäftigen. Es war ein komplizierter Weg, der schon bei der Kontaktaufnahme zum Moskauer Musiklabel „Sojus Production“begonnen hat. Das war 2010, als die deutsch-russischen Beziehungen im Vergleich zu heute noch sehr gut waren. Wjatschislav Klimenkov, der Organisator des Wettbewerbs war anfangs sehr misstrauisch mir gegenüber, da er schlechte Erfahrungen mit deutschen Medien gemacht hat. Sie stellen den Wettbewerb oft als kurioses Propaganda-Instrument Russlands dar. Es wundert mich nicht, dass ihn das frustriert, denn sein Ziel ist es, den Gefängnisinsassen eine neue Lebensperspektive zu bieten. Als 2014 der Ukrainekonflikt ausbrach, blieb ich trotz der schwierigen politischen Situation dran. Das beeindruckte Klimenkov und so legten wir beide unsere negativen Vorurteile ab, wodurch sogar eine Freundschaft entstanden ist.
In welchem Ausmaß hat der Filmdreh Sie beeinflusst?
Der Dreh hat mich sowohl persönlich, als auch produktionstechnisch beeinflusst. Zuvor hatte ich keinerlei Erfahrung mit Russland und besaß nur das einseitige Medienwissen darüber. Mein Bild von Russland hat sich völlig verändert, nachdem ich dort neue Freundschaften geknüpft und viel Erfahrung gesammelt habe. Besonders die Ausdrucksfähigkeit der Insassen hat bei mir ihren Eindruck hinterlassen. Eine Herausforderung während der Produktion war, dass ich während den politischen Spannungen mit dem Westen als deutscher Filmemacher nicht in die russischen Gefängnisse durfte. So musste ich eine Art Marionettenspieler eines russischen Produktionsteams werden, um den Dreh fortzusetzen.
Sie konnten sich für eine Sonderaufführung in Ihrer Heimat einsetzen. Was haben Sie für einen Bezug zu Biberach?
Ich bin ein Vollblut-Biberacher. Hier bin ich aufgewachsen und zur Schule gegangen. Am Pestalozzi-Gymnasium habe ich mein Abitur abgeschlossen und als Jugendlicher im Verein Handball gespielt. Übrigens war ich in Biberach auch mal Oberbürgermeisterkandidat. Das muss 1994 gewesen sein, zusammen mit der Gruppe „Die Glorreichen“. Dieses Jahr war ich während des Schützenfests auch beim Jahrgänger-Umzug dabei. Ich freue mich deswegen sehr darüber, dass hier in meiner Heimat eine Sondervorführung möglich ist.