Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Das ist gelebte Verantwortung“
Entwicklungsminister Gerd Müller lobt die Arbeit der Sammelzentrale Aktion Hoffnung
LAUPHEIM - Schwer beeindruckt hat Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, was in der Sammelzentrale Aktion Hoffnung in Laupheim geleistet wird. „Ich kenne nichts Vergleichbares in Deutschland“, sagte der CSU-Politiker bei seinem Besuch am Freitag.
Der Betriebsleiter Roman Engelhart wertet Müllers Kommen als ein Zeichen der Wertschätzung für die weit über 1000 ehrenamtlichen Helfer aus weitem Umkreis, die pro Jahr rund 550 Tonnen gespendete Textilien und Schuhe sortieren: „Sie leben das, was Papst Franziskus ,Kirche der Armen’ nennt, und stellen sicher, dass unsere mehr als 50 Partnerorganisationen in Lateinamerika, Afrika und Osteuropa diejenigen mit Kleidern versorgen können, die sich selbst keine Kleider leisten können.“Darüber hinaus verschickt die Sammelzentrale Sachspenden etwa für Krankenhäuser, Schulen und Werkstätten und unterstützt Entwicklungsprojekte. Die Frachtkosten werden mit den Erlösen von Kleidermärkten, Second-Hand-Laden und Textilrecycling finanziert.
„Ihr seid Helden!“
Bei einem Rundgang lässt sich Gerd Müller die Betriebsabläufe erklären. An einem Tisch sortiert eine Gruppe Ehrenamtlicher aus Laupheim Kleidung. „Wir sind um die 15 Frauen und zwei Männer“, erzählt die 87-jährige Elisabeth Stäsche. Ein Mal pro Monat packen sie an und helfen außerdem aus, wenn’s klemmt. „Das ist gelebte Verantwortung. Ihr seid Helden! Vergelt’s Gott“, sagt der Minister. Was die Menschen in unserer Überflussgesellschaft häufig verschwenderisch an Kleidern ablegten, komme durch das Wirken der Sammelzentrale Hilfebedürftigen zugute und könne Leben retten.
Auch der Eine-Welt-Laden imponiert Müller. „Wir müssen die Globalisierung gerecht gestalten“, fordert er. Dazu gehörten faire Preise für die Erzeuger in Entwicklungsländern.
„Die Aktion Hoffnung hat schon vor Jahrzehnten gemerkt, dass wir in einer Welt leben“, resümiert der Biberacher CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Rief, der mit Müller im Zeichen der Bundestagswahl nach Laupheim gekommen ist. Doch der Wahlkampf ist nicht das Hauptthema bei diesem Besuch – im Mittelpunkt stehen das Wirken der Sammelzentrale und wie den Ärmsten rund um den Erdball wirkungsvoll geholfen werden kann. Die Sammelzentrale trage „in großartiger Symbiose von Hauptund Ehrenamtlichen“dazu bei, lobt Josef Rief. Der Minister geht noch weiter: „Wir müssten das bundesweit organisieren nach eurem Modell.“
Umdenken tut Not
Müller fordert ein Umdenken in der Entwicklungspolitik. Sie sei lange ein Stück weit Almosenpolitik gewesen, „das muss sich grundlegend ländern. Wir müssen uns in Krisen- und Entwicklungsländern in einer neuen Dimension engagieren.“Die Erzeuger und Produzenten vor Ort sollten von ihrer Arbeit leben können, unter besseren Arbeitsbedingungen und unter Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen. Die Landwirtschaft in Afrika, wo die Bevölkerung weiter sprunghaft wachse, benötige massive Unterstützung – „die müssen Selbstversorger werden und Zugang zu den europäischen Märkten bekommen“. Und die Verbraucher hierzulande sich entscheiden: „Trinke ich fair gehandelten oder Sklaven-Kaffee?“
Die Zuhörer, von denen sich viele in der Entwicklungszusammenarbeit und der Flüchtlingshilfe im Landkreis engagieren, nicken – und tragen das ein oder andere Anliegen vor. Joachim Barth und Ivo Baur vom Kreisverband der Milchviehhalter fordern, das in der EU gehortete Milchpulver nicht in Drittweltländer zu exportieren, weil sonst die Existenz von Kleinbauern vernichtet würde. Barbara Baumann vom Leitungsteam des „Kleidertreffs“in Ochsenhausen, aus dem ökumenischen Arbeitskreis Asyl hervorgegangen, wirbt für den „Grünen Knopf “als Siegel dafür, dass Textilien unter Beachtung bestimmter Mindeststandards produziert und gehandelt werden. Damit rennt sie beim Minister offene Türen ein. Er hat ein „Textilbündnis“initiiert, in dem sich die 100 umsatzstärksten Unternehmen im deutschen Textileinzelhandel freiwillig zu solchen Standards verpflichten sollen. Bisher macht erst die Hälfte mit – „daraus müssen 100 Prozent werden“, sagt Müller.
Roman Engelhart und Anton Vaas von der Aktion Hoffnung bemängeln, dass viele Städte und Gemeinden nicht konsequent gegen illegale Kleidercontainer vorgehen – hier müsse der Gesetzgeber nachjustieren. Auch dass immer mehr Kommunen selbst in das Geschäft mit gebrauchten Kleidern einsteigen, bedrohe die Existenz gemeinnütziger Organisationen; im Übrigen widerspreche es der Intention der meisten Spender, mit ihrer Spende etwas Gutes zu bewirken.
Engelhart kann nicht verstehen, dass das Ministerium Kleidertransporte bei humanitären Notlagen nicht bezuschusst. „Das ändern wir“, sagt Müller bündig. „Schreiben Sie mir bitte fünf Zeilen dazu.“