Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Glücklich zwischen den fliegenden Ungetümen
„SZ öffnet Türen“: diesmal beim Hubschraubergeschwader 64 – Ein persönlicher Traum geht in Erfüllung
LAUPHEIM – Ulrike Humm ist die Vorfreude anzusehen. Der Helikopter CH 53 ist ihr Steckenpferd, seit Onkel Ottmar darin Mechaniker war. Zusammen mit 21 anderen Teilnehmern der Aktion „SZ öffnet Türen“steht die Frau aus Mietingen am Tor der Luftwaffe in Laupheim, bereit für die Führung durch Kaserne, Tower und Hubschrauberhalle – auf Tuchfühlung mit dem Riesengerät. Ihre Erwartungen sollen nicht enttäuscht werden.
Mehr als zwei Stunden Zeit nahm sich der Öffentlichkeitsbeauftragte Ralf Hochrein am Donnerstag, der Besuchergruppe die Bundeswehreinheit am Rande der Stadt vorzustellen. Er offenbarte dabei nicht nur viele geschichtliche Details und Geschichten des heutigen Hubschraubergeschwaders 64, sondern bot auch Gelegenheit, die Technik der riesigen Fluggeräte aus direkter Nähe zu sehen: nämlich von innen. Zunächst aber ging’s in den Schulungsraum, wo Hochrein in einem Vortrag die Ursprünge und die vielfältigen Einsätze des Geschwaders erläuterte. Nebenbei erklärte er, dass die Bundeswehreinheit verblüffend häufig Besuch erhält. Jener der SZAktion war bereits die 45. Gruppe in diesem Jahr, und Vereine können sich für einen Besuch über die Website bei ihm anmelden.
Es waren durchaus spannende Details, die der Oberstabsfeldwebel dem Publikum vorstellte. Zum Beispiel, dass der 1935 erstmals angelegte Flugplatz als eine Luftwaffen-Basis für den Frankreichfeldzug 1940 diente und danach 1943 und 1944 Versuchsfeld bei der Entwicklung der Drehflügler unter anderem durch Dr. Henrich Focke war. Das war damals neu: „Hier ist die Wiege der Hubschrauber-Fliegerei.“1944 geriet das Flugfeld aber auch noch ins Visier der Alliierten und wurde von amerikanischen Bombern mehrfach zerstört. Einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg schien die Geschichte des Flugplatzes auch beendet. „Hier war wieder Feld wie vorher“, stellte Hochrein fest. Aber ab 1963 diente das Gelände dann als Heeresflugplatz der Bundeswehr mit dem damals verbreiteten Hubschrauber Sikorsky H 34, einem Vorläufer des heutigen CH 53. 2013 wechselte die Einheit zur Luftwaffe, erklärte er. 1793 Soldaten gehören ihr an, dazu 268 zivile Beschäftigte. Das Geschwader verfügt über 60 CH 53, die aber nicht alle in Laupheim stationiert sind, und neuerdings 15 leichte Unterstützungshubschrauber (LUH).
Richtig spannend wurden seine Schilderungen von Einsätzen der Einheit, deren Hubschrauber mitnichten nur Runden um Laupheim drehen. Von einer Unterstützung der Hilfsaktionen beim Oderbruch im Jahr 1997 reichte die Spannweite bis zu regelmäßigen Einsätzen in Afghanistan, zur Zeit mit sechs Hubschraubern. Auch bei der Operation „Libelle“vor zwanzig Jahren, der spektakulären Evakuierung ausländischer Staatsbürger aus der von Unruhen erschütterten albanischen Hauptstadt Tirana, waren Laupheimer Helikopter maßgeblich dabei.
Libellen nicht unähnlich
Aber dann führten Hochrein und die Flugplatzmitarbeiterin Vanessa Deininger die Besucher in jene Halle, in der die riesigen Fluggeräte ruhen – mitten zwischen die metallenen Hubschrauber-Leiber. Mit angelegten Rotorblättern tatsächlich Libellen nicht unähnlich, parken sie in Reihen, sorgsam gewartet und umsorgt von einer Schar von Mechanikern. Wieder hat der BundeswehrSprecher mit ausladenden Armbewegungen viel Spannendes zu erzählen, beeindruckt sein Publikum mit großen Zahlen. Zum Beispiel, dass jeder der Kolosse mit maximal 19 Tonnen Gewicht abheben kann, dafür mit Turbinen zwei Mal 4000 PS aufbringt und pro Stunde Flugbetrieb rund 8000 Litern Treibstoff verbraucht. Das Ganze ist eine teure Angelegenheit: Alle Kosten zusammen gerechnet, kostet eine Flugstunde nicht weniger als 25 000 Euro. Das Raunen, das durch die BesucherGruppe geht, beweist: Das ist mehr Geld, als man je erwartet hätte. Ralf Hochrein lädt zum Einsteigen durch die geöffnete Heckklappe.
Fliehkräfte und der Magen
Seite an Seite dicht gedrängt sitzen die Leute darin auf beiden Seiten des Laderaums und hören von durchaus nachvollziehbaren Eigenarten der Hubschrauberfliegerei: Dass der Innenraum sich an heißen Sommertagen auf über 40 Grad aufheizt, was für voll ausgerüstete Soldaten zur Qual werden kann. Dass es im Winter entsprechend kalt wird – auch nicht angenehm für Passagiere. Und natürlich erzählt der Soldat von der ungewohnten Schaukelei in dem Flieger, von Fliehkräften, die im Kurvenflug auf Körper wirken – und dass die Reaktion mancher Körper dann in einer weißen Tüte aufgefangen werden muss. So sei es jüngst bei einem Demonstrationsflug mit Verwaltungschefs aus der Region einem der Passagiere ergangen. „Ich sag nicht, wer das war“, grinst Ralf Hochrein. „Aber er sah wirklich nicht gut aus.“
Dafür schaut Ulrike Humm gerade sehr zufrieden drein. Lächelnd sitzt sie in dem Hubschrauber, dem ihr Interesse seit Kindertagen gilt. Damals wohnte sie noch in Aulendorf, erzählt sie. Ihr Onkel Ottmar war Bordmechaniker in einem CH 53. „Immer wenn so einer über unser Haus flog, sagten wir: Da sitzt Onkel Ottmar drin!“Als die Schwäbische Zeitung dann zum Besuch auf dem Flugplatz einlud, griff sie sofort zum Telefonhörer. Es hat sich gelohnt, stellt sie nun beseelt fest: „Das hier ist besser, als ich erwartet habe.“