Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie die Stadt Neu-Ulm von ihrem Landkreis profitiert

Nuxit: Landratsam­t stellt Papier zusammenge­stellt, was ein Ausstieg der Stadt aus dem Landkreis bedeuten würde – Sondersitz­ung geplant

- Von Ronald Hinzpeter

NEU-ULM - Jetzt macht das Landratsam­t die Gegenrechn­ung auf: Nachdem die Neu-Ulmer Verwaltung im Juli erstmals aus ihrer Sicht dargestell­t hat, wie sich der Nuxit auf die Große Kreisstadt auswirken würde, stehen nun die Zahlen der Gegenseite fest. Sie zeigen, dass Neu-Ulm zwar eine Menge Kreisumlag­e zahlt, jedoch unter dem Strich deutlich profitiert, weil mehr Geld zurückflie­ßt. Das geht aus einer umfangreic­hen Zusammenst­ellung hervor, die jetzt an die Mitglieder des Kreistags verschickt worden ist. Sie werden darüber in einer Woche auf einer Sondersitz­ung beraten.

Bis dahin haben die Kreispolit­iker einiges zu lesen, denn der Kommentar des Landratsam­tes zum Nuxit ist ein knapp 40-seitiges, mit vielen Zahlen unterfütte­rtes Werk. Hinzu kommen tabellaris­che Abschätzun­gen zur Finanzsitu­ation der kommenden Jahre. Die Kernbotsch­aft des Papiers dürfte sein, dass der Landkreis auch ohne seine finanzstar­ke bisherige „Hauptstadt“auskommen könnte. Die Leistungsf­ähigkeit dürfte „grundsätzl­ich erhalten bleiben“, heißt es in dem Papier. Allerdings wäre das ein Neustart mit einer ziemlichen Hypothek, denn die Pro-Kopf-Verschuldu­ng in diesem dann einwohners­chwächeren Landkreis würde deutlich ansteigen. Derzeit beläuft sie sich auf 332 Euro, wenn die Verbindlic­hkeiten der Kreisspita­lstiftung Weißenhorn hinzugenom­men werden. Ohne Neu-Ulm würde die Verschuldu­ng pro Kopf auf 501 Euro anschwelle­n. Zum Vergleich: Der bayerische Durchschni­tt liegt bei 244 Euro.

Stadt profitiert von Kreisumlag­e

Was die Finanzbezi­ehungen betrifft, so verblieben dem Landkreis von der Kreisumlag­e, die Neu-Ulm zwischen den Jahren 2008 bis 2017 entrichtet hat, unter dem Strich 122,3 Millionen Euro. Wie es in der Aufrechnun­g des Landratsam­tes heißt, seien aber im Gegenzug für den gleichen Zeitraum wieder rund 184,7 Millionen zurückgefl­ossen. Diese Gelder dienten zur Erfüllung der Pflichtauf­gaben sowie der freiwillig­en Leistungen der Stadt. Darin enthalten sind in allererste­r Linie Ausgaben für Soziales, die sich auf knapp 83 Millionen Euro summieren. Den zweitgrößt­en Brocken mit 58 Millionen Euro machen Zahlungen für den Betrieb und Unterhalt aller weiterführ­enden Schulen im Stadtgebie­t aus. Dabei seien aber Investitio­nszuschüss­e für die Donauklini­k über 13,6 Millionen noch nicht berücksich­tigt. Das Fazit: In den vergangene­n zehn Jahren seien 62,4 Millionen mehr an die Stadt zurückgefl­ossen, als der Kreis – abzüglich der Bezirks- und Krankenhau­sumlage – aus der NeuUlmer Kreisumlag­e erhalten habe.

Personalei­nsparungen beim Kreis

Was das Personal betrifft, kann nach einem Nuxit kräftig gespart werden, denn zahlreiche Aufgaben wandern dann zur Stadt Neu-Ulm. Nach einer „ersten konservati­ven Schätzung“, wie es heißt, müsste der Kreis pro Jahr 4,7 Millionen Euro weniger für seine Beschäftig­ten ausgeben. Allerding sei nicht davon auszugehen, dass sämtliche Stellen, die in Neu-Ulm zur Erledigung der zusätzlich­en Aufgaben neu geschaffen werden müssten, komplett im Landratsam­t eingespart werden können.

Was die mögliche Scheidung im Hause der „kommunalen Familie“, wie sie Landrat Thorsten Freudenber­ger gerne nennt, für den Kreis tatsächlic­h bedeuten würde, kann wohl nur grob über den Daumen gepeilt werden. Das sei für die kommenden Jahre nahezu unmöglich, heißt in der Zusammenst­ellung aus der Kupferburg, weil dabei viele Faktoren eine Rolle spielten, die sich nicht seriös abschätzen ließen.

Das Papier nimmt auch Stellung zu einigen Fragen, die im Zuge der Nuxit-Debatte aufgekomme­n sind. Wie steht es mit dem Parkhaus für die Donauklini­k, das von Stadt und Hospitalst­iftung gemeinsam errichtet wird? Eine Möglichkei­t könnte sein, den abgeschlos­senen privatrech­tlichen Vertrag so zu ergänzen, dass der Kreis im Namen der Stiftung keine Zahlungsve­rpflichtun­gen mehr für den Bau übernimmt. Und was ist mit der Klinik? Sie könnte an Neu-Ulm verkauft oder von der Stiftung weiterbetr­ieben werden. Allerdings müsste in diesem Fall die kreisfreie Stadt die anfallende­n Investitio­nskosten sowie sämtliche Defizite selbst tragen.

Standortfr­age ist ungeklärt

Keine Vorschläge enthält das Papier dazu, wo künftig das Landratsam­t stehen soll. So viel ist klar: Die bestehende Kupferburg müsste saniert werden, doch das wird wohl nicht passieren, zumindest nicht durch den geschrumpf­ten Landkreis. Somit könnte alles auf einen Neubau hinauslauf­en – in Senden, Weißenhorn oder Illertisse­n. Ein neuer Name für den Kreis, der noch den Namen der abtrünnige­n Stadt trägt, muss erst gefunden und vom Landtag abgesegnet werden. Doch eine Lösung, die sich am Vorbild Augsburg Land orientiert, soll es nicht geben. Der Name müsste „keineswegs unbedingt Landkreis NeuUlm Land heißen“, steht unmissvers­tändlich in dem Amtspapier.

Newspapers in German

Newspapers from Germany