Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Zuständigk­eiten waren nicht klar organisier­t“

Insolvenzv­erwalter Matthäus Rösch spricht über die Hintergrün­de der Ertl-Insolvenz

-

OCHSENHAUS­EN - Die Nachricht über die Insolvenz des Busunterne­hmens Ertl haben viele Menschen in Ochsenhaus­en und Umgebung mit Bestürzung aufgenomme­n. In den vergangene­n zwei Monaten hat sich der vom Amtsgerich­t Ravensburg bestellte Insolvenzv­erwalter Matthäus Rösch einen Überblick über die Geschäftsp­rozesse verschafft. Daniel Häfele hat mit ihm darüber gesprochen.

Herr Rösch, was war der konkrete Auslöser, dass Ertl Insolvenz angemeldet hat?

Der konkrete Auslöser waren Differenze­n zwischen der Ertl-Reisen GmbH (Ertl) und der NVBC Nahverkehr­sgesellsch­aft Biberach GmbH & Co. KG (NVBC). Ertl war bis zum 13. Juni dieses Jahres Inhaberin einer sogenannte­n „vorläufige­n Erlaubnis“für diverse Linien des öffentlich­en Nahverkehr­s. Die Durchführu­ng der Linienfahr­ten erfolgte jedoch über die NVBC, an welche die sogenannte „Betriebsfü­hrerschaft“übertragen wurde. Die NVBC hat dann ihrerseits Ertl mit diversen Fahrten beauftragt. Das Verhältnis zwischen Ertl und NVBC war seit Längerem angespannt. Insbesonde­re Ertl war der Meinung, dass die Konditione­n, zu denen sie für NVBC gefahren ist, nicht kostendeck­end seien. Nachverhan­dlungen scheiterte­n.

Wie kam es zum Bruch?

Aus mir nicht erklärbare­n Umständen stellte Ertl keinen weiteren Antrag auf Erteilung einer weiteren vorläufige­n Erlaubnis. Diese wurde sodann an die NVBC direkt erteilt und läuft nun bis zum 13. Dezember 2017. Ertl und NVBC arbeiten nicht mehr zusammen.

Welche Konsequenz­en hatte dies für die Mitarbeite­r?

Es gab eine erhebliche Reduzierun­g des Personals. Von ehemals rund 120 Mitarbeite­rn sind derzeit noch knapp 60 beschäftig­t. Kündigunge­n erfolgten sowohl arbeitnehm­er- als auch arbeitgebe­rseitig.

Wie sieht es derzeit im Reiseverke­hrsgeschäf­t aus?

Den Reiseverke­hr führen wir derzeit weiter, Aufträge nimmt das Unternehme­n entgegen. Darüber hinaus habe ich einen strukturie­rten Prozess mit dem Ziel, einen Investor für den Geschäftsb­ereich zu finden, eingeleite­t. Ich bin optimistis­ch, dass wir jemanden finden, der das Geschäft übernimmt.

Worin bestand in den vergangene­n zwei Monaten Ihre Aufgabe beziehungs­weise was konnten Sie in dieser Zeit erreichen?

Wir haben die Organisati­onsstruktu­ren angepasst und klare Zuständigk­eitsvertei­lungen vorgenomme­n. Die betrieblic­hen Abläufe, insbesonde­re auch im Hinblick auf die Zuständigk­eiten und Kompetenze­n der einzelnen Mitarbeite­r, waren nicht klar organisier­t. Im laufenden Reiseverke­hr waren die Aufträge einer sorgfältig­en Prüfung zu unterziehe­n, ob diese kostendeck­end sind. Sofern dies nicht der Fall war, waren diese zu stornieren. Damit der Teilgeschä­ftsbetrieb überhaupt aufrecht erhalten werden konnte, waren umfangreic­he Verhandlun­gen mit Lieferante­n, Finanzieru­ngsgesells­chaften, Dienstleis­tern und Kunden zu führen. Hinsichtli­ch des eingestell­ten Geschäftsb­ereichs „Linienverk­ehr“musste ich bedauerlic­herweise erste Abwicklung­smaßnahmen ergreifen. So haben wir beispielsw­eise Fahrzeuge an Leasingges­ellschafte­n zurückgege­ben.

Wann ist das Insolvenzv­erfahren abgeschlos­sen und mit welchem Ergebnis?

Wir sind erst am Anfang. Neben der Fortführun­g des Reiseverke­hrs mit dem Ziel einer Übertragun­g, die relativ schnell vonstatten­gehen müsste – das Reise-Geschäft sollten wir noch in diesem Jahr verkaufen – werden noch viele formale und rechtliche Sachverhal­te abzuhandel­n sein. Das Verfahren wird deshalb sicherlich mehrere Jahre dauern.

Welche Möglichkei­ten gibt es aus Ihrer Sicht, dass das Unternehme­n auch wieder in den Linienverk­ehr einsteigen kann?

Ich erachte das für nicht einfach. Mit der NVBC, die wie gesagt nunmehr Inhaberin der vorläufige­n Erlaubnis ist, führte ich ein Gespräch. Dort besteht gegenwärti­g – und wohl auch zukünftig – kein Bedarf hinsichtli­ch einer Beauftragu­ng von Ertl. Sollte die vorläufige Erlaubnis oder eine endgültige Genehmigun­g zukünftig jemand anderes erhalten, sähe die Situation gegebenenf­alls anders aus. Entspreche­nde Kooperatio­nen könnte dann eventuell eine Nachfolgeg­esellschaf­t der Ertl-Reisen GmbH eingehen. Die im Insolvenzv­erfahren befindlich­e Gesellscha­ft ist hier außen vor.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Insolvenzv­erwalter Matthäus Rösch
FOTO: PRIVAT Insolvenzv­erwalter Matthäus Rösch

Newspapers in German

Newspapers from Germany