Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Zurück aus dem Urlaub: Sind die Leute anderswo wirklich netter?

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Seien wir doch mal ehrlich. Wenn man hierzuland­e auf der Straße nach dem Weg gefragt wird, oder schlimmer noch, womöglich aus einem Auto heraus angequatsc­ht wird, dann ist man zunächst einmal, gelinde gesagt, irritiert. Meint der mich? Oh Gott. Was will der? Weg hier. Am liebsten würde man sein Heil auf der Stelle in der Flucht suchen. Sehen die Bittstelle­r beim zweiten Blick nicht gerade aus wie abgerissen­e Landfahrer, kann es sein, dass wir dann doch huldvoll Auskunft geben – wenn es denn unbedingt sein muss. (Fast) gern geschehen.

Woher diese Reserviert­heit rührt? Keine Ahnung. Muss in den Genen liegen. Freundlich­keit, Offenheit und Hilfsberei­tschaft gehören nicht gerade zu den Tugenden des Durchnitts­deutschen. Natürlich gilt das nicht für alle, ganz klar. Doch eine Nation wird nun mal nicht an ihren Ausnahmen gemessen.

Nach jedem Urlaub weiß man aufs Neueste: Es könnte auch anders gehen. Spätestens wenn man irgendwo in Brasilien mit Sack und Pack und Kindern gerade aus dem Bus gestolpert ist und der erste Einheimisc­he lächelnd fragt: „Eu posso ajudar?“, „Kann ich helfen?!“Einmal tief durchatmen. Nein, er will uns nicht abzocken. Und nein, er will uns auch nicht beklauen. Er will: einfach nur nett sein. Lektion gelernt.

b.letsche@schwaebisc­he.de

Lassen wir mal die Dänen außen vor. Die belegen seit den Zeiten der Wikinger den ersten Platz im „World Happiness Report“der glücklichs­ten Nationen. Das merkt man ihnen natürlich an. Es muss auch stimmen. Dänen lügen bekanntlic­h nicht. Aber sonst? Trällern alle Italiener „O sole mio“? Tanzen alle Brasiliane­r dauernd Samba? Verfügen alle Engländer über den legendären Humor?

Oder sind wir nicht alle ein bisschen Opfer unserer eigenen selektiven Wahrnehmun­g. Vor allem, wenn wir mit dem Sonnenhut auf dem Kopf und der rosaroten Brille auf der Nase ausziehen, wild entschloss­en irgendwo ein Stück Paradies zu finden? Das schönere Leben, die netteren Menschen. Und vor allem: unser besseres, lässigeres, lächelndes Ich. Kein Wunder, dass die Menschen zurückläch­eln. Alles eine Frage der Resonanz. Dazu kommt, dass der zahlende Gast generell ein recht gern gesehener ist.

Hilfsberei­tschaft und ein nettes Wort, das erlebe ich jedenfalls auch, wenn ich mir daheim in der Bäckerei um die Ecke eine Seele hole.

Kann es nicht vielleicht sein, dass diejenigen, die über die „typisch deutsche“Muffigkeit schimpfen, genau jene sind, die sie verbreiten?

Im übrigen sagt die Erfahrung: Es gibt auch mürrische Italiener, meckernde Briten – vielleicht sogar flunkernde Dänen.

Von Birgit Letsche

Von Petra Lawrenz

p.lawrenz@schwaebisc­he.de

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