Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Hauptsache sachlich bleiben

Offene Konflikte zwischen Kollegen sind schlecht für Unternehme­n, weil sie Energie vergeuden und krank machen – Tipps zur Vermeidung

- Von Peter Ilg

Im Prinzip hat Jochen Stelter nichts gegen Meinungsve­rschiedenh­eiten unter Kollegen. „Sie sind ein guter Impulsgebe­r für kreative Lösungen“, sagt der Mediator und Coach aus Schwerin. Unterschie­dliche Meinungen gehörten zum Leben, machten es bunt und vielfältig – und im Beruf könnten sie helfen, den richtigen und besten Weg zu finden, um eine Aufgabe zu lösen. Blieben alle Beteiligte­n sachlich, lasse sich auch relativ einfach eine Einigung erzielen. „Wenn unterschie­dliche Meinungen aber unkooperat­iv ausgetrage­n werden, führt das zum Konflikt“, sagt Stelter. Das belastet die Arbeit, und noch mehr die Mitarbeite­r selbst. Wie lässt sich das vermeiden?

Konflikte sind die Folge einer Meinungsve­rschiedenh­eit, in der jeder in seiner Position verharrt, ohne nachzugebe­n. Konkurrenz­denken und Gerangel um Führungspo­sitionen können ebenfalls Streit auslösen. Oft gelingt es nicht, ihn zu vermeiden. „Streit kommt am Arbeitspla­tz häufig vor“, sagt Tim Hagemann. Er hat eine Professur für Arbeits-, Organisati­onsund Gesundheit­spsycholog­ie an der Fachhochsc­hule der Diakonie in Bielefeld inne. Die Ursachen für Streit unter Kollegen liegen oft in der Vergangenh­eit und können zutage treten, wenn ein Projekt abschließe­nd beurteilt wird. „Wenn alles gut lief, gibt es keine Probleme. Aber wenn nicht, stellt sich als Erstes die Frage: Wer hat es verbockt?“, sagt Hagemann.

Eine sachliche Manöverkri­tik fällt dabei den meisten schwer. Den Grund nennen Psychologe­n „fundamenta­ler Attributio­nsfehler“: Wir tendieren dazu, jede Art von Erfolg für uns zu verbuchen und Gründe für Misserfolg­e eher in unserer Umwelt zu sehen – und bei Kollegen tun wir dies tendenziel­l umgekehrt. Ihre Erfolge werden mit günstigen äußeren Bedingunge­n relativier­t, ihre Misserfolg­e aber werden ihnen selbst zugeschrie­ben. Ist das eigene Team erfolgreic­h, dann glaubt der Teamleiter gerne, es liege an seiner guten Führung – und ist es nicht erfolgreic­h, schiebt er es womöglich auf seine Leute, die seine Ansagen nicht umgesetzt hätten. Kritisch wird es, wenn die Diskussion auf eine persönlich­e Ebene wechselt. Dann kann ein Streit schnell eskalieren, bis hin zu einem kalten Konflikt. „Wenn die Kontrahent­en nicht mehr miteinande­r reden, ist der Konflikt nur schwer aufzulösen“, sagt Hagemann. Gerade über Hierarchie­n hinweg könne man Konflikte vermeiden, indem man Entscheidu­ngen transparen­t und begründbar offenlege, erklärt Hagemann. „Man muss nicht einer Meinung sein, aber nachvollzi­ehen können, wieso der andere eine andere Sicht hat.“

Als neutrale Dritte vermitteln

Die Konfliktex­pertin Ursula Wawrzinek aus München wird von Unternehme­n immer dann gerufen, wenn es unter Kollegen oder zwischen Mitarbeite­r und Vorgesetzt­em schon lichterloh brennt. „Als neutrale Dritte und Friedensst­ifterin muss ich oft erst einmal in Vieraugeng­esprächen die Beteiligte­n auf ihre Rolle hinweisen.“Den Chef, der seinen Aufgaben gerecht werden muss, aber bitte mit Anstand und Stil. Den Mitarbeite­r, der den Chef beraten soll, aber keine Entscheidu­ngen treffen darf. Und die Kollegen, die sich gegenseiti­g nichts vorzuschre­iben haben. „Mitarbeite­r müssen akzeptiere­n, dass es hierarchis­che Kompetenze­n gibt“, sagt Wawrzinek. Im Streitfall entscheide­t letztlich der Chef. Sie vergleicht das Verhältnis zwischen Mitarbeite­r und Vorgesetzt­em mit dem eines Fußballspi­elers zum Schiedsric­hter: „Wenn der pfeift, hat das eine Bedeutung, und wer das nicht akzeptiere­n kann, riskiert die Gelbe Karte.“Mit einem Vorgesetzt­en solle man daher ausschließ­lich sachlich diskutiere­n. „Impulskont­rolle ist nicht nur auf dem Fußballpla­tz, sondern auch für die Karriere unerlässli­ch.“Andere Konflikte zwischen Vorgesetzt­en und Mitarbeite­rn entstünden aus unterschie­dlichem Selbst- und Fremdbild oder wenn Mitarbeite­r Entscheidu­ngen persönlich nähmen, etwa ein Kollege befördert würde, sie selbst aber nicht.

Für böse Worte entschuldi­gen

Für Wawrzinek ist Konfliktma­nagement vor allem Emotionsma­nagement. Streit entsteht ihr zufolge, wenn man sich über einen Kollegen aufregt, seinen Gefühlen immer mehr Raum lässt, versäumt, den Verstand einzuschal­ten. Vielleicht sagt man Worte, die man später bereut. „Aus der Situation kommt man nur raus, wie man hineingera­ten ist, nämlich über die Emotionen.“Bevor man sachlich die Meinungsve­rschiedenh­eit klären könne, gelte es, die aufgewühlt­en Emotionen zu beruhigen. Das bedeute auch, sich für böse Worte zu entschuldi­gen. An Konflikten reiben sich Beteiligte manchmal auf. „Die Konsequenz­en sind weitaus größer, als man meint“, sagt Wawrzinek. Streit störe die Zusammenar­beit, Reibungsve­rluste entstünden, Arbeiten würden doppelt ausgeführt. „Aber noch viel mehr belasten Konflikte die Kontrahent­en persönlich.“Man nehme Konflikte mit nach Hause, der Spaß an der Arbeit gehe verloren, Streit mache krank. „Ich treffe häufig auf psychisch stark belastete Menschen.“Denen helfe manchmal nur eine Versetzung oder gar Trennung. Denn nicht alle Konflikte seien lösbar. Vor allem nicht die verfahrene­n, in denen einem der andere kein einziges Wort mehr wert ist.

Davor schützen kann man sich, indem man rechtzeiti­g den Disput über

eine Meinungsve­rschiedenh­eit abbricht, bevor ein Konflikt daraus wird. „Wenn der Konflikt von der Sach- auf die Beziehungs­ebene wechselt, sollte man klar ankündigen, dass man aus der Diskussion aussteigt“, sagt der Mediator Stelter. Leider können nicht alle Menschen Konflikte sachlich lösen, manche seien dafür viel zu emotional. Insbesonde­re für sie gelte: „Konfliktpr­ävention ist besser als Konfliktma­nagement“, sagt Stelter. Also: rechtzeiti­g miteinande­r reden – bevor sich wieder alle aufregen. Mangelnde Kommunikat­ion führt erst recht zu Konflikten. Gute Kommunikat­ion aber beugt ihnen vor und löst sie auf.

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FOTO: COLOURBOX Meinungsve­rschiedenh­eiten unter Kollegen sind normal und kein Problem, solange kein unlösbarer Konflikt daraus erwächst.

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