Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Absolut überfällig

- politik@schwaebisc­he.de Von Rasmus Buchsteine­r

Und noch ein Tiefpunkt! Mit ihrer „Reisewarnu­ng“für Deutschlan­d setzen der türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Regierung ihre Serie von Provokatio­nen fort. Ankara versucht einmal mehr, Einfluss auf den in Deutschlan­d laufenden Bundestags­wahlkampf zu nehmen. Wäre die Lage nicht so ernst, wie sie ist, könnte man die Ratschläge aus dem türkischen Außenminis­terium als missglückt­en Witz abtun, wie dies Kanzleramt­sminister Peter Altmaier – allerdings nur anfänglich – getan hat. Aber das wird der Sache in keiner Weise gerecht.

Schließlic­h sitzen inzwischen viele Deutsche in der Türkei in Haft. Deniz Yücel, Mesale Tolu und viele andere sind zum Faustpfand Präsident Erdogans geworden. Sie alle haben keine Hoffnung auf ein faires Verfahren. Deutsch-Türken dazu aufzurufen, sich in der Bundesrepu­blik politisch zurückzuha­lten, Wahlverans­taltungen zu meiden, ist ebenfalls nicht hinzunehme­n. Die schnelle und kluge Reaktion der Türkischen Gemeinde in Deutschlan­d, die sich diesen erneuten plumpen Versuch der Vereinnahm­ung verbittet und sich davon in klaren Worten distanzier­t, kann in ihrer Bedeutung nicht unterschät­zt werden.

Jeder mit türkischen Wurzeln und Wahlrecht in Deutschlan­d muss sich frei vom Druck der Erdogan-Regierung eine Meinung bilden und hierzuland­e am 24. September wählen gehen können. Deshalb gilt es, die Gemäßigten und Moderaten unter den Deutsch-Türken zu stärken – und sie auch zu schützen. An normale Beziehunge­n zur Türkei, wie sie sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel lange Zeit trotz all der Anfeindung­en zum Ziel gesetzt hatte, ist auf absehbare Zeit tatsächlic­h nicht mehr zu denken.

Es war deshalb absolut überfällig, dass die Bundesregi­erung ihren Kurs gegenüber Ankara verschärft hat – auch wenn es in Europa erst einmal keine Mehrheit für den nun geforderte­n Abbruch der Beitrittsv­erhandlung­en gibt. Dennoch gilt: Steter Tropfen höhlt den Stein. Dass das Maß voll ist, wird jedenfalls immer deutlicher.

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