Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Aung San Suu Kyi hat kaum Spielraum“
RAVENSBURG Im Gespräch mit Alexei Makartsev erklärt der Myanmar-Experte,
Publizist und Lehrbeauftragte an der Universität Hamburg, HansBernd Zöllner (Foto: privat), warum sich der Konflikt der Rohingya in Myanmar nicht schnell lösen lässt.
Die UN sehen in Myanmar Anzeichen einer ethnischen Säuberung. Ist das auch Ihr Eindruck?
Nein. Bei der Fluchtbewegung der Rohingya handelt es sich nicht um eine von der Regierung Myanmars beabsichtigte ethnische Säuberung, im Ergebnis könnte es aber darauf hinauslaufen - dann hätte der UNSprecher zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung beigetragen. Wir wissen, dass Häuser verbrannt wurden, aber wir wissen nicht, durch wen. Man macht jedoch vor allem das Militär in Myanmar schuldig für ein komplexes und zurzeit unlösbares Problem, welches in einem 200 Jahre alten Konflikt wurzelt.
Was ist der Kern dieses Problems?
Auf dem Rücken der Rohingya wird ein Grundsatzstreit ausgetragen, wo sie hingehören. Das Staatsbürgerrecht von Myanmar stammt aus dem Jahr 1948, aus einer Zeit, als der Name Rohingya noch nirgendwo auftauchte. Damals wurden alle Menschen zu Staatsbürgern erklärt, von denen man annahm, dass deren Vorfahren bereits im Jahr 1823, also vor dem ersten anglo-birmanischen Krieg, im Lande waren. Alle anderen wurden verpflichtet, nachzuweisen, dass sie Angehörige einer indigenen Ethnie sind. Die Regierung von Myanmar will, dass sich die Rohingya an das Gesetz halten. Deren Vertreter sagen aber, sie seien schon immer eine natürliche Ethnie auf dem Staatsgebiet Myanmars gewesen. Das erkennen die buddhistischen Birmanen nicht an und sehen die Rohingya als Einwanderer.
Hat der Konflikt auch eine religiöse Dimension?
Ja, die buddhistische Mehrheit in Myanmar hasst seit der Kolonialzeit die Muslime. Es gibt einen Grund, warum Aung San Suu Kyi vor der Wahl 2015 unter ihren Kandidaten keinen einzigen Muslim aufgestellt hatte: Sie hatte Angst, zu verlieren.
Wie sehen Sie heute die Rolle der Friedensnobelpreisträgerin?
Die Hoffnungen, die in sie gesetzt werden, waren von vornherein überzogen. Aung San Suu Kyi hat kaum politischen Spielraum. Sie erfüllt im Grunde den Willen ihrer Wähler und wehrt sich gegen die auch in meinen Augen weder faire noch richtige Darstellung, dass Myanmar der einzige Verursacher dieser Krise ist.
Was muss in Myanmar geschehen?
Die UN sollte den Regierungen von Bangladesch und Myanmar anbieten, im Korridor an der Grenze für eine Weile eine Zone unter UN-Verwaltung einzurichten, in der die Menschen in Sicherheit leben können.