Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Leyen blickt nach vorn – trotz starken Gegenwinds

Bundeswehr investiert 150 Millionen Euro in Ulm und Dornstadt - Ministerin im Wahlkampfm­odus

- Von Ludger Möllers

ULM - 150 Millionen Euro will die Bundeswehr in den kommenden Jahren an den Standorten Ulm und Dornstadt mit über 2500 Mitarbeite­rn ausgeben: Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen (CDU) hat am Mittwoch bei einem Besuch in der Donaustadt bekräftigt, dass in das Bundeswehr­krankenhau­s und das Multinatio­nale Kommando Operative Führung wie auch die RommelKase­rne in Dornstadt kräftig investiert werde.

Ursula von der Leyen reist in diesen Tagen besuchend und wahlkämpfe­nd durch die Republik. Am Montag hatte sie hochoffizi­ell und als Ministerin in Müllheim (Landkreis Breisgau-Hochschwar­zwald) die Deutsch-Französisc­he Brigade besucht, war dort mit militärisc­hen Ehren empfangen worden. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag stehen Wahlkampft­ermine an, drei bis vier Diskussion­s-oder Redebeiträ­ge pro Tag: Dann ist die 58-Jährige für ihre Partei unterwegs.

CDU versucht sich mit neuen Formaten

In Ulm haben sich 120 Gäste zur „Mittagspau­se mit der Ministerin“, wie die CDU dieses Wahlkampff­ormat nennt, im Bootshaus versammelt. Seit mangels Interesse an politische­n Themen nur noch Persönlich­keiten wie Karl-Theodor zu Guttenberg Hallen mit 600, 700 oder 800 Personen zu füllen vermögen, sind die Parteien gezwungen, auf neue Formen zu setzen.

Von der Leyen lobt zu Beginn ihrer Rede ihre Gastgeberi­n, die CDUBundest­agsabgeord­nete und -kandidatin Ronja Kemmer. Obwohl sie die jüngste Abgeordnet­e im Hohen Haus sei, habe sich die 28-Jährige durch Argumente und Kenntnis Respekt in der Unions-Fraktion verschafft. Und Kemmer sei bienenflei­ßig: 1700 Wahlkreist­ermine habe sie seit Dezember 2014, als sie in den Bundestag nachrückte, absolviert.

In einem Parforce-Ritt zählt von der Leyen die Verdienste der Bundesregi­erung auf: weniger Arbeitslos­e, mehr Beschäftig­te denn je in der Geschichte, höheres Ansehen im Ausland, ausgeglich­ener Haushalt.

Es gelingt der gewieften Rhetoriker­in, den Koalitions­partner, mit dem Erfolge durchgeset­zt wurden, die SPD, erst gar nicht zu nennen. Auch den Namen des SPD-Kanzlerkan­didaten, Martin Schulz, hat sie anscheinen­d vergessen. Sie spricht nur vom „Kandidaten“, erst nach 30 Minuten bekommt dieser seinen Namen zurück.

Geradezu begeistert berichtet von der Leyen über die Digitalisi­erung Estlands. Über eine Chipkarte ließe sich das Leben dort organisier­en, weiß sie zu berichten. Doch warum belegt Deutschlan­d in Sachen Breitbanda­usbau nur einen der schlechter­en Plätze, obwohl die Union seit 2005 die Kanzlerin stellt? Hierzu sagt die Rednerin nichts.

Das eigene Ressort habe sie 2013 in einem traurigen Zustand vorgefunde­n. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en

Zeitung“geht von der Leyen ins Detail: „Wir dürfen nicht vergessen: Ein Vierteljah­rhundert immer weniger Soldatinne­n und Soldaten, immer mehr Standorte geschlosse­n, immer mehr Material weggegeben, Ausrüstung nicht erneuert. Das hat natürlich seine Spuren hinterlass­en.“Deshalb sei es wichtig gewesen, die Trendwende­n Personal, Material und Finanzen einzuleite­n: „Den Effekt sieht man nicht von heute auf morgen. Wir haben in dieser Legislatur­periode alleine Materialau­fträge in Höhe von 30 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Das ist fünf Mal so viel wie in der Zeit davor. Aber: Bis das Material auf dem Hof steht, das dauert noch eine ganze Weile.“

Nicht nur Einsätze, Personal, Material und Finanzen hatten von der Leyen politisch zugesetzt. Vor allem die Skandale des ersten Halbjahres, beispielsw­eise in Pfullendor­f und Illkirch, und die harschen Reaktionen der Ministerin gegenüber den eigenen Soldaten haben den Rückhalt in der Truppe für die Ressortche­fin schwinden lassen. Den Gegenwind spüre sie, räumt von der Leyen ein: „Das gehört im Leben auch dazu, dass man für seine Überzeugun­gen einsteht. Ich stehe für die Modernisie­rung der Bundeswehr.“

Themen Cyber und Digitalisi­erung anpacken

Viele politische Beobachter zweifeln daran, dass von der Leyen in einer künftigen Regierung Verteidigu­ngsministe­rin bleibt. Doch sie blickt bereits nach vorn, große Schritte seien zu tun: „Das ganze Thema Cyber und Digitalisi­erung liegt vor uns.“Und sie will das Bewusstsei­n für die eigene Geschichte in der Truppe schärfen: „Wir sind im Augenblick in einem Prozess, wo wir unseren Traditions­erlass, der 35 Jahre alt ist, überarbeit­en. Ich finde wichtig in diesem Prozess, dass wir unsere eigene, stolze, 62-jährige Geschichte der Bundeswehr auch viel stärker entdecken und in den Raum stellen.“Der Prozess müsse in der Truppe beginnen, denn: „Wenn wir nicht stolz sind auf unsere Bundeswehr­geschichte, wie kann es dann die Bevölkerun­g sein?“

Der Termin in Ulm geht zu Ende, in Bad Wildbad (Landkreis Calw) wartet der nächste Kandidat auf die Ministerin. Doch was ist mit den Soldaten in Ulm beim Multinatio­nalen Kommando, denen sie einen Besuch schon 2015 versproche­n hatte? Keine Zeit, aber ein neues Verspreche­n: „Der nächste Besuch wird kommen. Alle dreihunder­t Standorte zeitgleich gehen nicht. Der General ist informiert, dass ein Besuch in Planung ist. Ich möchte mir dann auch ausreichen­d Zeit für die Truppe nehmen, was in Wahlkampfz­eiten schwierig ist.“

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen sprach in Ulm über Themen, die Deutschlan­d in Zukunft beschäftig­en werden.
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