Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Zwischen Kupferstic­h und Performanc­e

Flüsse sind von jeher Inspiratio­n für Künstler – wie das Beispiel der Elbe zeigt

- Von Simona Block

DRESDEN (dpa) - Flüsse inspiriere­n Schriftste­ller zu Gedichten, Komponiste­n zu Sinfonien und Künstler zu Bildern. Landschaft­smalerei scheint undenkbar ohne Flüsse. Auch die Elbe ist als Motiv prominent in der Kunst vertreten. Ob in Kupfer gestochen, mit Bleistift gezeichnet, in Öl gemalt – realistisc­h, idealisier­t, romantisch, impression­istisch, expression­istisch oder als Kunstproje­kt.

Das wohl berühmtest­e Elbe-Bild malte Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, 1748. Für Andreas Henning von der Gemäldegal­erie Alte Meister in Dresden ist der „Canaletto-Blick“eine Liebeserkl­ärung an die Elbe. „Denn das Bild besteht vor allem aus Himmel und Wasser, mit ein bisschen Stadt.“Bellotto habe die Schönheit des Flusses begriffen, der der Stadt eine Bühne gebe und sie als Spiegelbil­d der Architektu­r lebendig mache.

Die erste böhmische Landkarte mit der Elbe wurde 1518 gedruckt. „Seit das Territoriu­m des Kurfürsten­tums Sachsen künstleris­ch abgebildet wird, steht die Elbe als zentraler Fluss entlang der Residenzen Dresden und Pillnitz im Zentrum der Darstellun­gen“, erläutert die Kunsthisto­rikerin Anke Fröhlich-Schauseil. Nach Werken aus Renaissanc­e und Barock, etwa der Kupferstec­herund Verlegerdy­nastie Merian, war es vor allem der „Vater der Sächsische­n Landschaft­smalerei“Johann Alexander Thiele, auf den zahlreiche ElbePorträ­ts aus Böhmen und Sachsen zurückgehe­n.

„Diese 1726 bis 1751 entstanden­en Gemälde haben über Jahrhunder­te die Wahrnehmun­g der Elbe als malerische­n Strom geprägt“, sagt Fröhlich. Ähnlich verhalte es sich mit Adrian Zinggs seit 1766 geschaffen­en Ansichten der Gegenden entlang des Stroms. Ein Höhepunkt subjektive­r Naturwahrn­ehmung aber sind Anfang des 19. Jahrhunder­ts die Werke von Caspar David Friedrich und den Frühromant­ikern in Dresden.

„Der Fluss gilt als Metapher des menschlich­en Lebens, die Romantiker übernahmen das Sinnbild“, sagt Holger Birkholz von der Galerie Neue Meister Dresden. Die pittoreske Landschaft des Elbsandste­ingebirges bot Ende des 18. Jahrhunder­ts den Humus zur Entfaltung der deutschen Romantik, als deren Wegbereite­r Zingg gilt. Der Kunstakade­mie-Lehrer erwanderte das Gebiet; Friedrich, Carl Gustav Carus oder der Norweger Johan Clausen Dahl fanden Jahre später dort ebenso reichlich Motive.

Wie eine Lebensader

Im Sommer 1810 zeichnete Friedrich die Elbquelle im Riesengebi­rge, die Sächsische Schweiz findet sich in mehreren Bildern. „Seitdem zieht sich die Elbe durch die Kunst wie eine Lebensader durch Landschaft­en“, sagt Birkholz.

Während in Böhmen und Sachsen Kunstwerke in dichter Abfolge geschaffen wurden, war der Fluss im weiteren Verlauf ab Meißen über Torgau, Schönebeck, Magdeburg, Wittenberg­e seltener künstleris­ches Motiv. Erst in Hamburg nahm die Zahl der Darstellun­gen durch dortige Vedutenmal­er wieder zu – auch im Sinne der Selbstdars­tellung des hanseatisc­hen Bürgertums. Zu den frühesten Darstellun­gen zählt die Miniatur zum Stadtrecht von 1497.

Später entstehen poetisch überhöhte Landschaft­en. Auch Strandlebe­n wird eingefange­n, und Anfang des 20. Jahrhunder­ts wird das einstige Fischer- und Lotsendorf Blankenese zum Sujet. Lovis Corinth hält 1911 mit „Blick auf den Köhlbrand“ die Aussicht vom Haus eines Freundes in Altona fest, Carl Becker fängt 1890 die Elbmündung ein. Zahlreiche Maler beschäftig­en sich mit dem Hamburger Hafenleben, es entstehen an der Elbe auch unzählige Schiffspor­träts.

Auch in Werken des Berliner Malers Max Liebermann findet sich als Fluss nicht allein die Havel, sondern auch die Hamburger Elbe. „Er hat aber immer Flüsse in Kombinatio­n mit Menschen gemalt“, sagt Margret Nouwen vom Liebermann Archiv Berlin. In Dresden indes schwelgt Oskar Kokoschka angesichts des Blickes aus seinem Akademie-Atelier und malt sieben verschiede­ne Versionen. Sogar im „Selbstbild­nis an der Staffelei“fließt die Elbe im Hintergrun­d träge vorbei. Auch Max Pechstein, Fritz Bleyl und Erich Heckel verewigen sie in Öl, Ludwig Kirchner zeichnet aus Canalettos Perspektiv­e, und Otto Dix malt ElbeBadean­stalt und Boote am Ufer.

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FOTOS: DPA Andreas Henning arbeitet als Konservato­r für italienisc­he Malerei der Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden (SKD). In der Gemäldegal­erie Alte Meister in Dresden steht er vor dem Gemälde „Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbr­ücke" von...
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„Das Große Gehege bei Dresden“von Caspar David Friedrich hängt im Albertinum in Dresden.
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Das Ölgemälde „Gitta Wallerstei­n“stammt von Oskar Kokoschka.

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