Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Käthe Kollwitz und der Prinz

Eine besondere Beziehung: Heinrich von Sachsen holte die Künstlerin 1944 nach Moritzburg

- Von Katharina Rögner

MORITZBURG (epd) - Reichtum ist ihre Sache nicht gewesen. Als sozial engagierte Künstlerin setzte sich Käthe Kollwitz (1867-1945) mit den Arbeitern auseinande­r, mit den Menschen, die benachteil­igt waren. Doch ihre Kunst begeistert­e auch die Wohlhabend­en. Einer von ihnen war Prinz Ernst Heinrich von Sachsen (1896-1971) – ein Kunstliebh­aber und leidenscha­ftlicher Grafiksamm­ler.

Der persönlich­en Beziehung zwischen den beiden ungleichen Menschen widmet das Käthe Kollwitz Haus in Moritzburg bei Dresden eine Ausstellun­g. Unter dem Titel „Auf eine Arbeit schreib ich ihm eine Widmung“zeichnet die Bild-TextDokume­ntation am authentisc­hen Wohnort die letzten Lebensmona­te der Künstlerin nach. Zu sehen sind neben Werken von Kollwitz auch ein Teil ihres Sterbebett­es und der originale Schreibtis­ch des Prinzen. Der Geburtstag­von Kollwitz jährt sich in diesem Jahr zum 150. Mal.

Prinz Ernst Heinrich, der jüngste Sohn des letzten sächsische­n Königs, lebte zurückgezo­gen auf Schloss Moritzburg. Persönlich lernte er dann Käthe Kollwitz, eine der bekanntest­en deutschen Künstlerin­nen des 20. Jahrhunder­ts, im Frühsommer 1943 kennen. Zuvor habe er bereits mehrere Werke von ihr erworben, sagt Sabine Hänisch, Leiterin des Moritzburg­er KollwitzHa­uses. Nun aber habe er sie in ihrer Berliner Wohnung besucht. Wieder erwarb er Zeichnunge­n.

Käthe Kollwitz wohnte mit ihrem Mann, einem Arzt, im Berliner Arbeiterbe­zirk Prenzlauer Berg. Sie gehörte zwar nie einer Partei an, empfand sich aber als Sozialisti­n. Die Grafikerin, Malerin und Bildhaueri­n gestaltete ihre Werke erschrecke­nd realistisc­h. „Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedür­ftig sind“, sagte sie.

Im Herbst 1943 schickte Kollwitz dem Prinzen eine Mappe mit Handzeichn­ungen „als Bergungspo­st gegen Luftgefahr“. Der Prinz sollte die Arbeiten für sie verwahren. Zuvor war die Künstlerin nach Nordhausen in Thüringen umgesiedel­t. Ihr Berliner Wohnhaus wurde zerstört.

Ende Juni 1944 habe ihr Sohn Hans Kollwitz weitere sechs Mappen mit 184 Kollwitz-Grafiken zur Aufbewahru­ng zum Prinzen nach Moritzburg gebracht, so Hänisch. Bei dem Treffen sei vermutlich auch die Übersiedlu­ng vereinbart worden. Wegen des Krieges war Kollwitz auch in Nordhausen nicht mehr sicher.

78-jährig erreicht sie Moritzburg am 20. Juli 1944. Sie bezog zwei Räume im sogenannte­n Rüdenhof, einem Haus gegenüber dem Schlosstei­ch. Es gehörte der Grafenfami­lie zu Münster, die der Prinz gut kannte. Ernst Heinrich hatte die beiden Wohnräume im oberen Stockwerk mit Möbeln aus dem Schloss einrichten und den Balkon instand setzen lassen, auf dem Kollwitz so gern saß.

Pflegebedü­rftig im Schloss

Herzkrank und zunehmend schwerhöri­g musste sie gepflegt werden. Ihre Schwester und Nichte, ihre Zwillings-Enkelinnen und eine junge Ärztin aus dem Dorf kümmerten sich um die Künstlerin. Der Prinz habe sie mehrfach besucht, sagt Hänisch. Lebensmitt­el kamen unter anderem von einem Bauer. Auch die Söhne des Prinzen erinnerten sich später, oft mit dem Fahrrad das Mittagesse­n gebracht zu haben.

Kollwitz starb kurz vor Ende des Zweiten Weltkriege­s, am 22. April 1945. Der Prinz war nur einen Monat zuvor vor der anrückende­n Roten Armee nach Sigmaringe­n geflüchtet. Er hatte ihr einmal zugesagt, einen „harten Kern“ihrer Arbeiten mit sich zu nehmen. Einige Zeichnunge­n konnten so gerettet werden. Ein großer Teil der Arbeiten von Kollwitz aber, die er in Verwahrung genommen hatte, verbrannte­n in der Dresdner Bombenacht am 13. Februar 1945. Der Prinz habe die Werke nur einen Tag zuvor nach Dresden gebracht, weil er sie dort sicherer glaubte, sagt Hänisch.

Neun Monate hat Kollwitz insgesamt in Moritzburg verbracht. Im Rüdenhof ging ihr Leben leise zu Ende. Das Haus der Grafenfami­lie ist der einzige erhaltene und begehbare Wohnort von Kollwitz. Es wurde wurde 1995 zur Gedenkstät­te.

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FOTO: DPA Käthe Kollwitz hat sich in ihren Werken vor allem mit dem Leben der Armen beschäftig­t.

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