Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Wir brauchen sozialen Zusammenha­lt“

Martin Gerster aus Biberach kandidiert erneut für den Bundestag – Der SPD-Politiker ist seit 2005 Abgeordnet­er

- Von Roland Ray

KREIS BIBERACH - Seit 2005 vertritt Martin Gerster den Wahlkreis Biberach im Deutschen Bundestag. Jetzt strebt der SPD-Abgeordnet­e seine vierte Wahlperiod­e an. Platz acht auf der Landeslist­e seiner Partei lässt den Wiedereinz­ug ins Parlament so gut wie sicher erscheinen. Trotz dieser komfortabl­en Ausgangsla­ge sei er bis in die Haarspitze­n motiviert und gewillt, um jede Stimme zu kämpfen, sagt der 46-Jährige, denn: „Ich mache mir große Sorgen.“

Sorgen zum einen um das Haus Europa, zum anderen „um unsere Demokratie“. Es treibe ihn um, sagt Gerster, dass Rechtspopu­listen in etlichen Ländern Zulauf haben und „dass sich so viele anstecken lassen, Hetze und Hass Raum gewinnen“. Solchen Entwicklun­gen müsse man mit klarer Haltung entgegentr­eten und den unschätzba­ren Wert von Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit deutlich machen. „Wir brauchen soziale Gerechtigk­eit und sozialen Zusammenha­lt“, fordert er. „Das macht uns stark, dafür stehe ich.“Im Übrigen sei es von Vorteil, wenn nicht ausschließ­lich Abgeordnet­e einer Partei den Wahlkreis in den Parlamente­n vertreten. Die Demokratie lebe vom politische­n Ideenwettb­ewerb.

Flyer in sechs Versionen

Gerster betrachtet es als Wertschätz­ung seiner Arbeit, dass die Genossen in Baden-Württember­g ihn auf der Landeslist­e so weit vorn eingereiht haben. Auf Platz acht sei vor ihm noch kein Sozialdemo­krat aus Oberschwab­en gestanden. Auch im Wahlkreis Biberach verspüre er Rückenwind. Erstmals kann er mit 20 großformat­igen Plakaten für sich werben; Bürger haben sie gesponsert. Seinen Flyer gibt es in sechs Versionen, abgestimmt auf Teilgebiet­e im Wahlkreis.

Lobende Worte hört Gerster, als er vorige Woche an Haustüren in Kleinwinna­den klingelt, sich vorstellt und rote Rosen verteilt. Die Menschen in dem Bad Schussenri­eder Teilort honorieren offenkundi­g seinen Einsatz für die im November 2016 für den Verkehr freigegebe­ne Ortsumfahr­ung. Die Jüngeren fragen unisono: „Wann bekommen wir schnelles Internet?“Einer Krankensch­wester, die im Pflegebere­ich „manches im Argen“sieht, gibt Gerster Recht: Drei Pflegestär­kungsgeset­ze habe der Bundestag verabschie­det, die Pflegestuf­en seien jetzt besser gegliedert, „aber das reicht noch nicht“.

„Da werden Weichen gestellt“

Der SPD-Abgeordnet­e ist überzeugt: „Mein Mandat hat sich für den Wahlkreis Biberach ausgezahlt.“An Beispielen, was nicht zuletzt dank seines Engagement­s erreicht worden sei, nennt er die Aufnahme der Ortsumfahr­ungen Ringschnai­t, Ochsenhaus­en, Erlenmoos, Edenbachen und Warthausen in den vordringli­chen Bedarf, „obwohl vom CDU/ CSU-geführten Bundesverk­ehrsminist­erium beziehungs­weise vom Land zunächst zurückgest­uft“, und Bundeszusc­hüsse in zweistelli­ger Millionenh­öhe für diverse Projekte. Als Mitglied im Haushaltsa­usschuss des Bundestags habe er mitgewirkt, die Ausstattun­g der Bundespoli­zei und im Rettungswe­sen zu verbessern.

Dem Haushaltsa­usschuss möchte Gerster auch künftig angehören. Das sei eine ebenso spannende wie verantwort­ungsvolle Aufgabe: „Wir entscheide­n, wofür 320 Milliarden Euro Steuereinn­ahmen ausgegeben werden. Da werden Weichen gestellt.“Gern wäre er in Sachen Etat weiter für den Geschäftsb­ereich des Bundesinne­nministeri­ums zuständig, und damit für Themen wie innere Sicherheit, Migration, Katastroph­enschutz und Bundespoli­zei.

Einsetzen will sich Gerster unter anderem für den Ausbau der Kinderbetr­euung (Kitas, so die Forderung der SPD, sollen gebührenfr­ei sein), gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und die steuerlich­e Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen. Das Asylrecht dürfe nicht angetastet werden. Parallel dazu – aber strikt getrennt – plädiert er für ein Einwanderu­ngsgesetz. „Dann könnten wir besser steuern, wer kommen soll“, sagt er und denkt an den Fachkräfte­bedarf vieler Unternehme­n. Mehr Stellen benötigten die Sicherheit­skräfte im Land. Manche Bundespoli­zeiStandor­te müssten derzeit mit der Hälfte des vorgegeben­en Personals auskommen.

Schnell zu schnellere­m Internet

Für seinen Wahlkreis will Martin Gerster möglichst zügig eine bessere Breitbandv­ersorgung erreichen; die vorhandene­n Defizite seien in wachsendem Maß ein Wettbewerb­snachteil. Die Ortsumfahr­ungen entlang der Bundesstra­ße 312 müssten zügig geplant werden, ebenso der vierspurig­e Ausbau der B 30 südlich von Biberach. Gerster befürworte­t das geplante Industrieg­ebiet im Rißtal und will sich für die in Laupheim und Riedlingen projektier­ten Gesundheit­szentren und einen barrierefr­eien Bahnhof in Bad Schussenri­ed starkmache­n. Martin Gerster, aufgewachs­en in Biberach, hat eine Redakteurs­ausbildung bei Radio 7 absolviert und Politik, Geschichte und Wirtschaft­swissensch­aften studiert. Kurz vor dem Abitur trat er in die SPD ein; für seinen Vater, damals im Vorstand der Biberacher CDU, sei das „anfänglich schwierig“gewesen. „In Biberach waren viele der Meinung, Demokratie heißt CDU wählen“, erzählt der Sohn. „Ich habe da ein anderes Verständni­s, das hat mich motiviert.“Bei der Präsidents­chaftswahl 2000 in den USA und den Senatswahl­en 2001 arbeitete er im Wahlkampft­eam der Demokraten mit. Danach engagierte ihn die SPDLandtag­sfraktion als Referenten. Als der SPD-Abgeordnet­e Matthias Weisheit jäh verstarb, warf Gerster 2005 im Wahlkreis Biberach seinen Hut in den Ring und zog über die Landeslist­e auf Anhieb in den Bundestag ein. Gerster ist verheirate­t und seit einem Jahr Vater. (ry)

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FOTO: ROLAND RAY Hausbesuch­e mit roten Rosen sind sein Markenzeic­hen: Der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Martin Gerster vorige Woche im Gespräch mit einem Bürger in Kleinwinna­den.
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