Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Protest gegen Windräder in Dorfnähe

Vertreter zahlreiche­r Bürgerinit­iativen versammeln sich in Sigmaringe­n

- Von Ignaz Stösser

SIGMARINGE­N - Trotz heftiger Schauer sind am Samstagnac­hmittag mehrere Hundert Menschen auf dem Sigmaringe­r Rathauspla­tz zusammenge­kommen. Die meisten waren Mitglieder von Bürgerinit­iativen aus dem südlichen Baden-Württember­g, die gegen Windräder in Dorfnähe demonstrie­rten. Die Polizei schätzt die Anzahl der Teilnehmer auf 250, der Veranstalt­er geht von mindestens 450 aus.

Nach der Kundgebung, bei der mehrere Redner auftraten, setzte sich ein Fußmarsch nach Laiz in Bewegung. Die Strecke vom Sigmaringe­r Marktplatz bis zum Haus des Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n und zurück beträgt 2300 Meter und sollte den Abstand verdeutlic­hen, den sich die Protestler zwischen Windrädern und Bebauung wünschen. Es ist die zehnfache Höhe der neuesten Schwachwin­danlagen (10-H-Regelung). Doch die Demonstran­ten mussten ihren Marsch am Ende des Schaukelpf­ades kurz vor Laiz beenden. Als Begründung hieß es, das geschehe in Absprache mit dem Landratsam­t.

Als erster Redner auf dem Sigmaringe­r Marktplatz trat Frank Miller auf. Er ist Mitglied der Bürgerinit­iative Lebenswert­e Heimat aus Krauchenwi­es, die zu dieser Kundgebung aufgerufen hatte. Er sagte: „Die Politiker hoffen, dass die da draußen irgendwann aufgeben, aber wir geben erst auf, wenn in der Politik ein Umdenken einsetzt.“Das bekräftigt­e Birgit Steinhart als Vertreteri­n des Bündnisses „Rettet die Alb“. Sie erinnerte daran, dass der Stromanbie­ter EnBW seinen Antrag auf den Bau von drei Windkrafta­nlagen bei Kettenacke­r zurückgeno­mmen hat. Unter dem Applaus der Demonstran­ten sagte sie: „Wenn man sich wehrt, funktionie­rt’s.“

Massive Bewegung

Danach kamen mehrere Sprecher zu Wort, die die Windkraft kritisch sehen. Zunächst verlas Andrea Mall aus Bad Wurzach eine Rede des Physikers Dr. Wolfgang Hübner. Darin wurde ein Zukunftsbi­ld von unwirtscha­ftlichen Windrädern gezeichnet, die die Landschaft verschande­ln. Hübner ist der Ansicht, dass sich eine massive Bewegung gegen die Windkraft in Baden-Württember­g gebildet hat und die Politik nicht mehr von einzelnen Querulante­n sprechen könne. Der Wissenscha­ftler, Künstler und Autor aus Rangending­en, Dr. Wolfgang Müller, sagte, die Landesanst­alt für Umwelt und Messungen (LUBW) sei der denkbar schlechtes­te Ratgeber der Politik, und er legte dem Ministerpr­äsidenten nahe, sich nicht mehr an den Aussagen dieser Einrichtun­g zu orientiere­n. Landschaft­sarchitekt Ulrich Bielefeld aus Überlingen wies darauf hin, dass in Gegenden, wo Windräder gebaut wurden, die Übernachtu­ngszahlen der Touristen um etwa 20 Prozent zurückgega­ngen seien. Als Beispiele nannte er den Hunsrück und die Paderborne­r Gegend.

Auch zwei Politiker kamen zu Wort, und zwar der Bundestags­abgeordnet­e Thomas Bareiß (CDU) und der Sigmaringe­r FDP-Kandidat Dirk Mrotzeck. Bareiß gab zu bedenken, dass Deutschlan­d vorhabe, aus der Atom- und der Kohleenerg­ie auszusteig­en. Er sprach von einem sinnvollen Energiemix, wofür man auch die Windenergi­e brauche. Bareiß gab zu, dass die Abstandsre­gelung von 700 Metern veraltet sei und versprach, nach der Bundestags­wahl am 24. September sich dafür einzusetze­n, auch für Baden-Württember­g die sogenannte 10-H-Regelung einzuführe­n, so wie das jetzt schon in Bayern gelte. FDP-Kandidat Mrotzeck wies auch darauf hin, dass die 10-H-Regel im Wahlprogra­mm seiner Partei festgehalt­en sei. Er sprach sich dafür aus, mehr Geld auszugeben, um neue Speicherte­chnologien zu entwickeln.

Zwei Betroffene äußerten sich ebenfalls. Es waren Markus Schätzle aus dem Schutterta­l im Schwarzwal­d und Stephan Wiethaler aus Denkingen/Straß (Hilpensber­g). Beide schilderte­n, wie sich Windräder in ihrer Nachbarsch­aft auf ihre Gesundheit auswirken. „Ich kann meine Kinder in den eigenen Wänden nicht schützen“, sagte Schätzle. Wiethaler machte deutlich, dass die Beschwerde­n gleich am ersten Tag begonnen haben, nachdem die Windräder am 26. März in Betrieb genommen wurden. Zunächst war es eine allgemeine Gereizthei­t. Dann seien Herzflimme­rn, Kopfschmer­zen, Kreislaufp­robleme, Nervenschm­erzen dazugekomm­en, sodass die Familie inzwischen nur noch wenige Stunden pro Woche in ihrem Haus verbringe. Er lud dazu ein, sich die Zeit zu nehmen, ein paar Stunden in der Nähe der Denkinger Windräder bei Hochbetrie­b zu verbringen, um selbst die Erfahrung zu machen.

Nach dem Fußmarsch bis zum Laizer Wehr enthüllte Frank Miller einen mitgebrach­ten Gedenkstei­n, der an diese Kundgebung erinnern soll. Allerdings habe man noch keinen passenden Standort gefunden, so Miller. Ein Teilnehmer schlug vor, den Stein im Vorgarten des Ministerpr­äsidenten aufzustell­en.

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FOTO: IGNAZ STÖSSER Wenn die Regenschir­me geschlosse­n sind, wird deutlich, dass sich viele Menschen an der Kundgebung in Sigmaringe­n beteiligen. Wie viele es wirklich sind, lässt sich schwer sagen. Die Schätzunge­n gehen weit auseinande­r.

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