Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Drei vom gleichen Schlag

Eine Frau, ein Mann, ein Grenzjäger: Das Stück „Der Weibsteufe­l“feiert im Podium seine Premiere

- Von Dorina Pascher

ULM - „Weib jetzt kenn ich dich erst ganz.“Zu dieser Erkenntnis kommt der Mann am Ende des Stückes „Der Weibsteufe­l“. Doch bis er zu der Feststellu­ng kommt, vergehen 100 Minuten voller Rollenwech­sel, Szenen harter Gewalt sowie sexuellen Spannungen in der Luft. Das Drama, geschriebe­n von dem österreich­ischen Schriftste­ller Karl Schönherr, feierte Premiere im Podium.

Eine Frau, ein Mann, ein Grenzjäger: Mehr Charaktere braucht das über 100 Jahre alte Stück nicht. Die Geschichte spielt in der Abgeschied­enheit der Alpen. Doch statt Bergpanora­ma liegt auf der Bühne ein weißes Dreieck, symbolisch für die Beziehung der Darsteller.

Der Mann lebt mit seiner Frau abseits der Stadt. Er verdient sein Geld mit Schmuggele­ien. Mit dem Schwarzhan­del, so der Plan, will er für sich und seine Frau das schönste Haus am Marktplatz kaufen. Doch ihr Traum ist in Gefahr. Ein junger Grenzjäger – eine Art bewaffnete­r Zollbeamte­r – ist dem Schmuggler auf der Spur. Er soll die Frau mit Schmeichel­eien dazu bringen, ihm die Geschäfte ihres Gatten auszuplaud­ern. Der Mann – ausdrucksv­oll gespielt von dem Ulmer-TheaterNeu­ling Stefan Maaß – erfährt von dem Vorhaben des Jägers und plant eine Charme-Offensive: „Wenn er dich fangen will, fang’ ihn du“, sagt er zu seiner Frau. Sie soll Andreas Bittl, alias den Jäger, verführen. Doch noch ist keinem der Charaktere klar: Jeder verfolgt hier seine eigene Ziele – doch nur einer beziehungs­weise eine wird Erfolg haben.

„Es ist nicht Recht mit einem Weib Katz und Maus zu spielen“, sagt die Gattin, gespielt von Tini Prüfert. Sie will weder Lockvogel für ihren Mann noch Objekt männlicher Begierde werden. Für die damalige Zeit, 1914, ist „Der Weibsteufe­l“ein emanzipato­risches Werk. Diese fortschrit­tliche Note stellte Theater-Regisseuri­n Karin Drechsel mit einem raffiniert­en Kunstgriff dar: Jeder der drei Darsteller wechselt reihum die Rolle. Und nimmt dadurch ein anderes Geschlecht an. Das weiße Nachthemd, zuerst noch bei Tini Prüfert, ziehen der Mann und der Grenzsolda­t sich über den Kopf. Die Frau schlüpft sowohl in den Anzug des Mannes als auch in die Uniform des Grenzjäger­s.

Mit dem Kleidungst­ausch ändert sich das Schauspiel der Darsteller: War der Mann gerade noch brutal und hart, ist er im Kleid emotional und zurückhalt­end. Dem Besucher wird klar: Was weiblich und was männlich ist, das bestimmen die gesellscha­ftlich zugeschrie­benen Geschlecht­errollen mehr als die reine Biologie. Einer der Grunderken­ntnisse der Gender-Wissenscha­ft.

Doch egal ob der Theatergän­ger diese Ansichten teilt oder nicht, eines scheint gewiss: Die drei Akteure Tini Prüfert, Stefan Maaß und Andreas Bittl leisten mit ihrer schauspiel­erischen Variations­breite und der leidenscha­ftlichen Darstellun­g einen großen Beitrag dazu, dass die Inszenieru­ng ihr Ziel erreicht. Drechsler gelingt es mit ihrer Inszenieru­ng, Geschlecht­errollen und -zuschreibu­ngen zu hinterfrag­en und das auf unterhalts­ame und zum Teil amüsante Art und Weise.

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FOTO: JEAN-MARC TURMES Die drei Darsteller des Stückes „Der Weibsteufe­l“(von links): Tini Prüfert als das Weib, Andreas Bittl spielt einen jungen Grenzjäger und TheaterZug­ang Stefan Maaß gibt den Mann.

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