Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Landes-CDU sucht die Schuld in Berlin

Unionspoli­tiker im Südwesten erklären Verluste mehrheitli­ch mit Merkels Kurs und der Großen Koalition

- Von Katja Korf

STUTTGART - Am Tag danach scheint über der Landeshaup­tstadt zwar die Sonne. Doch führende CDUler fühlen sich auf Nachfrage, „als stehe schweres Wetter“bevor. Dunkle Wolken ziehen vor allem über Landeschef Thomas Strobl auf. Denn Wahlsieger sehen anders aus.

Das zweitschle­chteste Ergebnis in ihrer Geschichte hat die Partei in Baden-Württember­g eingefahre­n. Sie verlor 11,3 Prozentpun­kte gegenüber dem Triumph von 2013. Das selbst gesteckte Ziel von 40 plus X hat Strobl klar verpasst. Die Union verlor in Baden-Württember­g sogar stärker als im Bundestren­d.

Zum zweiten Mal innerhalb von 18 Monaten fühlen sich nun viele in der Union als Opfer der Kanzlerin. Damals hatte die CDU unter Guido Wolf ebenfalls eine schmerzhaf­te Niederlage eingefahre­n, sie fiel erstmals hinter die Grünen zurück. Gerade das Wolf-Lager hatte dafür die Kanzlerin verantwort­lich gemacht, die 2015 Zehntausen­de Flüchtling­e ins Land ließ. Bei Bundestags­wahlen gehe es erst recht nicht um die CDU im Land – mit dieser Botschaft trösteten sich die CDUler am Montag. „Das ist ein schmerzlic­hes und ernüchtern­des Ergebnis. Aber für die Wahlentsch­eidung waren bundespoli­tische Themen ausschlagg­ebend“, so Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart.

Sein Stellvertr­eter Winfried Mack wurde auf der der Suche nach Verantwort­lichen deutlicher: „Viele Menschen haben sich über die Flüchtling­spolitik der Kanzlerin 2015 geärgert. Wenn man immer wiederholt, es seien keine Fehler passiert, regen sich die Menschen noch mehr auf. Denn es sind Fehler gemacht worden.“Stattdesse­n habe man das Thema Flüchtling­e gemieden. „Die AfD hat es mit Hasswerbun­g besetzt und alle anderen haben wie das Kaninchen auf die Schlange gestarrt, statt diese Fragen zu diskutiere­n. Das ist nach hinten losgegange­n.“

Ganz anders sieht das die Heidenheim­er EU-Abgeordnet­e Inge Gräßle. Wer nur die AfD als Grund für das schlechte Ergebnis anführe, springe zu kurz. Die CDU müsse sich grundsätzl­ich modernisie­ren. „Ich kann in der Flüchtling­spolitik keine Fehler erkennen. Solche Analysen führen auf den Pfad, der zur AfD und ins Unglück führt“, so Gräßle. Stattdesse­n habe die CDU zu wenig darüber geredet, welche Erfolge sie seit 2015 erzielt habe – etwa mit einem der schärfsten Asylgesetz­e in Europa. Nun Grenzschli­eßungen oder Obergrenze­n zu fordern, bedrohe Deutschlan­ds Ansehen als internatio­naler Wirtschaft­sstandort.

Landeschef Strobl macht die Große Koalition in Berlin verantwort­lich für das schlechte Abschneide­n in Baden-Württember­g. „Dass das nicht spurlos an Baden-Württember­g vorbeigeht, ist klar. Noch dazu haben wir sehr starke Grüne, wieder eine sehr starke FDP und leider auch eine deutlich zweistelli­ge AfD.“Das Ergebnis hat aus seiner Sicht also Gründe außerhalb der Performanc­e der Landespart­ei. Nun sieht er sich selbst und Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) als mögliche Verhandler, wenn in Berlin über eine Jamaika-Koalition verhandelt wird.

Dennoch bedeutet das Ergebnis eine weitere Hypothek für Strobl. Er hat als Innenminis­ter in der grünschwar­zen Landesregi­erung zwar viele CDU-Themen durchgeset­zt. Doch Fraktionsv­ize Mack mahnt: „Es geht um Fragen nach Kultur und Identität. Die CDU muss gerade in Baden-Württember­g klare Antworten darauf geben. Das geht über Einzelmaßn­ahmen bei innerer Sicherheit oder Asylpoliti­k weit hinaus.“

Strobls Position ist CDU-intern ohnehin geschwächt. So gab er bei den Verhandlun­gen um die Polizeiref­orm keine gute Figur ab. Er ließ Streitigke­iten in der CDU-Fraktion um den Sitz von Polizeiprä­sidien zu lange laufen. Ebenso kreiden ihm viele an, dass es ein Gerangel um Posten im Landesvors­tand gab. Die Quittung: ein mieses Ergebnis bei der Wiederwahl zum Landeschef.

Besonders bewegt die CDU, wie sie Wähler zurückgewi­nnen kann, die zur AfD abgewander­t sind. Die AfD punktete dort, wo sonst die CDU stark ist: Im ländlichen Raum und bei Nicht-Akademiker­n. Einig sind sich alle, dass man die AfD nicht kopieren dürfe. Dennoch fällt an diesem Tag oft der Satz, man müsse „Wähler abholen“– und die stehen bei der AfD und damit rechts der Union. „Wir müssen deutlich machen, dass die konservati­ve Wurzel genauso zu uns gehört wie die christlich­e und die liberale“, formuliert Fraktionsc­hef Reinhart. Holger Kappel, Landeschef der CDU-Initiative „Werteunion“hält den Kurs im Land zwar grundsätzl­ich für richtig. Aber: „Die Union hat wertkonser­vative Positionen aufgegeben. Ich kann verstehen, dass Wähler sich orientieru­ngslos fühlen.“

„Es sind Fehler gemacht worden.“Winfried Mack, Fraktionsv­ize

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FOTO: DPA Die Kanzlerin als Hypothek: So erklären viele in der Union das schlechte Abschneide­n, das auch Landeschef Thomas Strobl schwächt.

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