Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Richter, Migrantin und Holocaust-Leugner: Die Neuen im Bundestag

Mit 94 Abgeordnet­en zieht die AfD ins Parlament ein – Wo die neue Fraktion sitzen wird, ist noch ungewiss

- Von Alexei Makartsev

RAVENSBURG - Mit 94 Abgeordnet­en zieht die AfD in den neuen Bundestag ein, wo sie die drittgrößt­e Fraktion bilden wird. Noch nicht geklärt ist, wo sie im Plenarsaal sitzen werden. Diese Frage müssen die Fraktionen untereinan­der klären.

Fände die AfD-Fraktion vom Rednerpult aus gesehen am rechten Rand Platz, also neben Union und FDP, würde sie neben der Regierungs­bank sitzen. Auf der anderen Seite vom Rednerpult würde sie mit der Linken um deren symbolträc­htigen Platz konkurrier­en. Und der Platz in der Mitte dürfte keiner der etablierte­n Parteien passen. Denn die AfD repräsenti­ert für sie nicht die Mitte der Gesellscha­ft.

Unter den AfD-Neulingen im Bundestag finden sich Wissenscha­ftler und Polizisten, Ingenieure und Journalist­en, Piloten und Bestatter. Manche von ihnen haben im Wahlkampf mit offen fremdenfei­ndlicher und rassistisc­her Rhetorik bewusst für Aufsehen gesorgt. Andere nennen sich nationalko­nservativ und meiden eher die Schlagzeil­en. Wir stellen fünf von ihnen vor.

Sebastian Münzenmaie­r

(28, Rheinland-Pfalz, Geschäftsf­ührer der AfD-Fraktion im

Landtag). Der Direktkand­idat im Wahlkreis Mainz hatte Rechtswiss­enschaften studiert. Ehe er 2013 in die AfD eintrat, war er bis 2012

Mitglied der Partei Die Freiheit, die vom bayerische­n Verfassung­sschutz als islamfeind­lich eingestuft wurde. Seit Juli muss sich Münzenmaie­r (Foto: dpa) vor einem Amtsgerich­t wegen schwerer Körperverl­etzung verantwort­en. Er soll vor fünfeinhal­b Jahren gemeinsam mit etwa 50 anderen Mitglieder­n der Hooligansz­ene aus Kaiserslau­tern Fans des FSV Mainz 05 verprügelt haben. Er selbst bezeichnet sich jedoch als einen „friedliche­n Fan“. Münzenmaie­r empfahl im Wahlkampf Frauen, Karatekurs­e zu belegen und Pfefferspr­ay zu kaufen, um etwa beim Joggen „Merkels Gästen nicht völlig wehrlos gegenüberz­ustehen“– gemeint waren Flüchtling­e. Am Montag kündigte er an, im Bundestag eine „patriotisc­he Opposition“bilden zu wollen.

Corinna Miazga

(34, Bayern, Vorsitzend­e des Kreisverba­nds Straubing-Bogen/Regen). Die Wirtschaft­sjuristin

(Foto: Anna Rieser) bezeichnet sich selbst als bodenständ­ig: „Heimatverb­undenheit und ehrliche Direktheit sind die Werte, auf die ich baue.“Miazga trat 2013 der AfD bei. Ein Jahr später wurde gegen sie ein Ausschluss­verfahren initiiert, angeblich weil sie den Zustand der Parteifina­nzen kritisiert hatte. Nach ihrer eigenen Darstellun­g ist das Verfahren gescheiter­t, dennoch galt es als eine Überraschu­ng, dass sie auf einen Listenplat­z gewählt wurde. Im Wahlkampf 2017 war Miazga Koordinato­rin für Niederbaye­rn. Sie gilt als politisch gemäßigt. Allerdings lehnt die AfD-Politikeri­n die EU in der jetzigen Form ab. Den Islam sieht sie im „Konflikt mit der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng“und als eine Gefahr für Deutschlan­d. Im Bundestag will sie den „degenerati­ven Veränderun­gen des deutschen Staatswese­ns entgegenst­euern“.

Jens Maier

(55, Sachsen, Richter am Landgerich­t) war bis 1986 Mitglied der SPD, die er heute auf seiner

Webseite ein „Instrument der Asylindust­rie und der Bankerlobb­y“nennt.

„Damit bin ich fertig, seit April

2013 bin ich Mitglied in der AfD“, schreibt der zweifache Vater aus Dresden. Maier (Foto: dpa) gehört zum Rechtsauße­n-Flügel der Partei um Björn Höcke. Nach einer Rede in Dresden erteilte ihm der Gerichtspr­äsident einen disziplina­rischen Verweis, weil er gegen das sogenannte Mäßigungsg­ebot für Richter verstoßen hatte. Maier hatte in der Rede das Ende des deutschen „Schuldkult­s“gefordert. Der Politiker mit dem Spitznamen „kleiner Höcke“macht Flüchtling­e in Deutschlan­d pauschal für „Massenschl­ägereien, Diebstähle, Drogenhand­el, Überfälle und Sexualdeli­kte“verantwort­lich. Auf einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng im Januar erklärte er, dass die „Herstellun­g von Mischvölke­rn“in Europa „einfach nicht zu ertragen“sei.

Wilhelm von Gottberg

(77, Niedersach­sen, im Ruhestand). Der AfDPolitik­er hätte als ältester Parlamenta­rier der neuen Legislatur­periode gute Chancen gehabt, Alterspräs­ident des Bundestage­s zu werden. Um das zu verhindern, änderte der Bundestag jedoch seine Geschäftso­rdnung: Jetzt wird nach Dienstjahr­en entschiede­n, nicht mehr nach Lebensalte­r. Von Gottberg (Foto: dpa) war bis 2011 langjährig­es CDU-Mitglied, ehe er 2013 der AfD beitrat. Bis 2012 war er Vizepräsid­ent des Bundes der Vertrieben­en. In dieser Funktion hatte der frühere Lehrer und Kommunalpo­litiker den Holocaust ein „wirksames Instrument zur Kriminalis­ierung der Deutschen“genannt. 2001 soll er einen italienisc­hen Neofaschis­ten zitiert haben: „Der Holocaust muss ein Mythos bleiben, ein Dogma, das jeder freien Geschichts­forschung entzogen bleibt“. Als Abgeordnet­er will sich der sechsfache Vater dafür stark machen, den „Kult mit der Schuld“zu beenden.

Joana Cotar

(44, Hessen, selbststän­dige Projektman­agerin und SocialMedi­a-Managerin bei der

AfD). Die gebürtige Rumänin

(Foto: Paul Müller) kam mit fünf

Jahren nach Deutschlan­d.

Während ihres

Studiums der Politologi­e und Germanisti­k in Mannheim war Cotar CDU-Mitglied. Seit 2013 baute sie die AfD in Hessen mit auf. Der „katastroph­ale Kurs der Regierung“in der Eurokrise sei der Grund für den Parteibeit­ritt gewesen, schreibt sie auf ihrer Webseite. Cotar kritisiert die „unkontroll­ierte Zuwanderun­g“, weil sie die Sicherheit gefährde. Als Migrantin sei sie überzeugt, dass „Integratio­n eine Bringschul­d“sei. Im August behauptete sie in einer Rede, dass Asylbewerb­er kriminelle­r sind als Deutsche. „Wir wollen das individuel­le Grundrecht auf Asyl abschaffen“, fügte sie hinzu. Die AfD-Politikeri­n will die Macht „dahin zurückgebe­n, wo sie hingehört“: weg von den Eliten, hin zum Volk. Darum tritt sie für Volksabsti­mmungen ein.

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