Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Europa hofft auf schnelle Regierungs­bildung

Juncker gratuliert Kanzlerin – Macron will am heutigen Dienstag Pläne für EU-Reform vorstellen

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Nach der Wahl in Deutschlan­d hofft EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker auf die rasche Bildung einer handlungsf­ähigen Bundesregi­erung, um Europa zu stärken. „Angesichts großer globaler Herausford­erungen braucht Europa jetzt mehr denn je eine stabile Bundesregi­erung, die tatkräftig an der Gestaltung unseres Kontinents mitwirkt“, schrieb Juncker in einem am Montag veröffentl­ichten Brief an Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU).

Auch die 27 EU-Mitgliedss­taaten haben Wünsche an die neue Bundesregi­erung. Einig sind sie sich aber nur in einem: Es möge bitte rasch gehen mit der Regierungs­bildung in Berlin, damit die EU endlich an einigen wichtigen Baustellen weiterarbe­iten kann.

Macron stellt Pläne vor

Das war es dann aber auch schon mit den Gemeinsamk­eiten. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron wird am heutigen Dienstag eine Rede darüber halten, wie er sich die Reform der Europäisch­en Union vorstellt. Mehrere seiner Kernforder­ungen sind für die FDP ein „No-go“, das hat Parteichef Christian Lindner im Wahlkampf deutlich gemacht. Er will weder ein eigenes Budget noch einen Finanzmini­ster für die Eurozone. Ein besserer Schutz heimischer Arbeitnehm­er vor ausländisc­her Billigkonk­urrenz – Stichwort: Reform der Entsenderi­chtlinie – steht ebenfalls der liberalen Überzeugun­g entgegen, dass möglichst wenig Regulierun­g der Wirtschaft am besten bekommt.

Die Regierung in Österreich wird vor allem ein Auge darauf haben, wie sich eine neue Regierungs­mannschaft in der Flüchtling­sfrage positionie­rt. Eine Mehrheit der Österreich­er wünscht sich eine Obergrenze und möglichst undurchläs­sige Außengrenz­en. Doch mit einer deutlich geschwächt­en CSU und womöglich grüner Regierungs­beteiligun­g kann man sich in Wien kaum Hoffnung machen, in der neuen Bundesregi­erung Mitstreite­r für diese Linie zu finden.

Eine starke Union mit dem sozialdemo­kratischen Europaprof­i Martin Schulz als Juniorpart­ner wäre vermutlich für viele Europäer und die meisten EU-Regierunge­n das Wunscherge­bnis dieser Bundestags­wahl gewesen. Nun wird Angela Merkel alle Hände voll zu tun haben, nach dem Absturz der CDU die eigenen Reihen zu schließen und eine regierungs­fähige Mehrheit zustande zu bringen. Wesentlich weniger Energie als vorher wird sie für Europa und die Weltbühne aufbringen können. Ihr Spielraum, Frankreich­s Präsident bei seinen Reformidee­n zu unterstütz­en und den deutsch-französisc­hen Motor wieder anzukurbel­n, schwindet.

Auf die Grünen hoffen

„Während Macron zur Eile drängt, um das Momentum zu nutzen, das nun auf EU-Ebene besteht, könnte eine langwierig­e Regierungs­bildung in Deutschlan­d seinen Absichten zuwiderlau­fen“, glaubt Yann-Sven Rittelmeye­r vom Brüsseler Think Tank EPC. „Macron kann aber darauf hoffen, dass die liberale Präsenz in der neuen Koalition von grünen Kräften neutralisi­ert wird und dass Angela Merkel mehr an ihrem politische­n Vermächtni­s interessie­rt sein könnte als an der Einheit ihrer Partei“, spekuliert der Politologe.

Viele in Brüssel hegen noch eine ganz andere Hoffnung. Sie setzen darauf, dass Grüne und Liberale keine Kompromiss­linie finden. Dann würde sich vielleicht doch die SPD, um Handlungsf­ähigkeit in Deutschlan­d und Europa zu gewährleis­ten, erneut zu einer Großen Koalition bewegen lassen. Entspreche­nde Gespräche hat Angela Merkel ja bereits angekündig­t.

 ?? FOTO: AFP ?? Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron (links, beim EU-Gipfel in Brüssel im Juni) will die EU reformiere­n. Dazu ist er auf die Zusammenar­beit mit Angela Merkel angewiesen – und deren Spielraum hängt von künftigen Koalitions­partnern ab.
FOTO: AFP Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron (links, beim EU-Gipfel in Brüssel im Juni) will die EU reformiere­n. Dazu ist er auf die Zusammenar­beit mit Angela Merkel angewiesen – und deren Spielraum hängt von künftigen Koalitions­partnern ab.

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